Wenn zwei Monate den feinen Unterschied machen …

Christina/ Januar 9, 2011/ Alltagsgeschichten

Scherben bringen Glück

Auf Werbeplakaten verspricht das Land Touristen die „Incredible India“-Experience. Völlig zurecht, wie ich meine. Wobei damit nicht unglaublich schön, sondern nur unglaublich unsinnig gemeint sein kann. Dies findet man am besten heraus, wenn man mit einem Touristenvisum, das ein Jahr gültig ist und die mehrmalige Einreise während dieser Zeit erlaubt, versucht, innerhalb von zwei Monaten nochmals einzureisen, z.B. um einen Flug ins Heimatland zu nehmen. So geschehen auf meiner letzten „Indienreise“, bei der ich Mitte Dezember in Mumbai eintraf und eine Woche später für 10 Tage in ein Nachbarland reisen wollte. Auf dem Flughafen, beim Check-in, fiel uns plötzlich wieder der Satz „minimum two months gap mandatory between visits to India“ ein, der seit der letzten Visaerneuerung in meinem Pass stand. Würde das bedeuten, dass ich nach dem Urlaub nicht wieder ins Land käme, um meinen Rückflug wahrzunehmen? Keine Ahnung, was diese Bestimmung überhaupt soll, aber offensichtlich hatte ich jetzt ein Problem, bzw. wollte es nicht darauf ankommen lassen, bei der Wiedereinreise auf dem Rollfeld stehen bleiben zu müssen. Welche Konsequenzen eine Nichtbeachtung des „two months gap“ haben könnte, wussten wir ja nicht. Aber in dem Bürokratenparadies Indien möglicherweise nichts Gutes.

Glücklicherweise wohnten wir in unserer Urlaubsdestination in der Nähe des Botschaftsviertels und fanden relativ schnell heraus, wo sich das indische Konsulat befand und wie dessen Öffnungszeiten sind. Dort angekommen wurden wir erstmal zu einer anderen Stelle geschickt, weil man nicht verstanden hatte, dass ich kein Visum benötige, sondern einen re-entry permit. An der Visa-Ausstellungs-Stelle teilte man mir mit, dass eine erneute vorzeitige Einreise mit meinem Visum nicht möglich sei, ich aber beim Consulat nach einem re-entry permit fragen sollte.

Am nächsten Morgen ging es dann wieder zum Konsulat. In einem vorheriger Telefonat hatten wir den zuständigen Ansprechpartner in Erfahrung gebracht. Vor Ort mussten wir zunächst mit dem Zuständigen ein Formular ausfüllen, dann einen Betrag bezahlen, diverse Kopien des Passes und des Visums machen und sollten dann am nächsten Tag um 16 Uhr wiederkommen, um den Pass abzuholen. Klang ja bis dahin alles ganz einfach. Am nächsten Tag war der Pass auch zur verabredeten Zeit fertig. Eigentlich dachte ich, dass damit der Fall erledigt sei. Einzig merkwürdig war, dass ich mich innerhalb von 14 Tagen oder spätestens vor meinem Abflug beim FRO (Foreign Registration Office) melden sollte.

Bei der erneuten Einreise in Mumbai jedoch sprach mich die Immigration-Officerin auf den „two months gap“ an. Ich verwies auf das re-entry permit in meinem Pass. Damit wollte sie sich aber nicht zufrieden geben. Ich musste zu einem Office am Flughafen gehen, dort nochmals meine Geschichte erzählen und ein weiteres, vergleichbares Formalar, wie ich es bereits ausgefüllt hatte, ausfüllen. Dann kam nochmals der Hinweis, dass ich mich beim FRO registrieren müsse.

Mein Partner nahm den Schrieb und meinen Pass dann mit zu seiner Arbeitstelle, um in der Personalabteilung nachzufragen, was es damit auf sich hätte. Drei Tage lang passierte gar nichts und die Zeit bis zu meinem Abflug wurde bereits langsam knapp. Einen Tag vorher kam endlich ein Anruf, dass ich mit irgendjemandem nach irgendwohin fahren sollte, um dort das „Certficate“ für meine Ausreise zu erhalten. Noch ging ich von einer schnellen Erledigung der Sache aus. Mit unserem Fahrer ging es zum FRO, wo wir die Person (Mittelsmann) abholten, die bereits diverse Kopien meines Passes und weitere ausgefüllte Formulare bei sich hatte. Wir fuhren zu einer Police-Station, wo ich zunächst nicht viel verstand, da nur auf Hindi debattiert wurde. Dann wollte der Officer von mir wissen, wo ich wohne, wie ich heiße, wie unser Vermieter heißt (???) und unter welcher Telefonnummer ich zu erreichen sei. Schließlich teilte er mir mit, dass er heute abend oder morgen früh zu mir nach Hause kommen würde, um zu überprüfen, ob ich dort wohnte. Ich kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Ich erklärte ihm noch, dass mein Flug einen Tag später ginge …

Auf dem Nachhause-Weg rief mich mein Partner an und teilte mir mit, dass der besagte Polizist wohl bereits vor unserer Haustür warten würde. Erneutes Staunen. Da mein Partner die Telefonnummer des Polizisten hatte, bat er ihn, auf mich zu warten. Schließlich nahm ich ihn mit in die Wohnung, was ich schon befremdlich fand, da ich alleine war. Er fragte nochmals nach dem Namen des Vermieters und ob ich einige von den Nachbarn kennen würde (??? – wohlgemerkt, ich wohne nicht in Indien). Er füllte ein weiteres Formular aus und sagte, dass sein Chef dann wohl heute oder morgen das „Certificate“ ausfüllen würde. Gebetsmühlenartig erinnerte ich ihn daran, dass der Flug morgen gehen würde. An dem Abend passierte dann nichts mehr.

Dann sollte es am nächsten Morgen um 11 Uhr weitergehen. Angeblich würden wir dann endlich das gewünschte Papier zur Ausreise erhalten. Wir fahren also wieder zur Police Station, unser Verbindungsmann ist bereits mit allen Papieren, Kopien etc. vor Ort. Der Polizist in der Dienststelle scheint von nichts zu wissen, zudem möchte er plötzlich zwei Passfotos von mir haben, die ich natürlich nicht dabei habe. Es geht eine Weile hin und her, schließlich fahren wir zu „Fast Foto“ und machen Passbilder. Unser Verbindungsmann fährt mit den Passbilder zurück zur Polizeistation und will sich melden, wenn es weiter geht, sprich, er den Stempel vom Police Office hat und wir dann nochmals zum FRO müssen. Es wird immer abenteurlicher und unübersichtlicher, zudem läuft mir die Zeit weg.

Nach zwei Stunden Wartezeit kommt der nächste Anruf. Diesmal sollen wir zum FRO kommen, angeblich gibt es jetzt das „Certificate“. Dort angekommen, werden wir nicht auf das Gelände gelassen, weil Ausländer das Gelände nur über Gate 2 betreten dürfen, Gate 2 aber samstags geschlossen ist (ha,ha). Wir rufen unseren Verbindungsmann an. Nach einer Weile teilt er uns mit, dass wohl gerade Mittagspause sei und es in einer Stunde weiterginge. Erneutes Warten, erneute Unsicherheit. Nach einer Stunde meldet er sich wieder, wir gehen zurück zum FRO. Diesmal lässt man uns tatsächlich rein, nachdem unser Verbindungsmann an das Gate kommt. Wieder wird gescannt und lamentiert. Worum es genau geht, kann ich nicht verstehen. Es sieht aber nicht so aus, als würde es eine schnelle Sache werden. Schließlich sprechen wir den Commissioner. Obwohl ich kein Hindi verstehe, kann ich an der Gestik und Mimik erkennen, dass er das Certificate nicht ausstellen will. Erneutes intervenieren vom Verbindungsmann – der Commissioner bleibt hart. Gerade als wir zur Tür rauswollen, überlegt er es sich anders (mit oder ohne Geldzuwendung?). 10 Minuten später haben wir den Wisch – nichts wie raus hier. Die Sinnhaftigkeit des Prozederes habe ich nicht im Ansatz verstanden. Aber egal, nur raus hier und hoffen, dass es am Flughafen bei der Ausreise keine Probleme gibt. Danke, „Incredible India“ für diese unvergessliche Experience.

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2 Kommentare

  1. Hallo Tina,

    auf deine Reiseerlebnisse bin ich echt neidisch.
    Auch wenn es euch diesmal etwas blöd erwischt hat 😉

    Wie immer tolle Fotos, ach und hier noch was zur „fraglichen Symbolik“: http://de.wikipedia.org/wiki/Swastika#Indien

    LG aus Leipzig
    Daniel

  2. Lieber Daniel,

    danke für deinen wichtigen Hinweis aus der Wikipedia! Ich wusste bereits, dass das Hakenkreuz – zum Glück – in Indien eine andere Bedeutung hat, als die uns bekannte. Aber merkwürdig ist es schon, wenn du zum Bäcker gehst und vor der Tür neben zwei Füßen ein Hakenkreuz findest!

    Liebe Grüße zurück!

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