Corona-Tagebuch: Marli und der Schuh des Wandervogels
Langsam kommt Routine in eine Auflage, die ich nie für möglich gehalten hätte: Kontaktverbot und auf Abstand bleiben. Es kristallisiert sich ein Dreiklang für mich heraus: Maximal mit einer Person und mit Abstand draußen spazieren gehen, die Natur mit allen Sinnen genießen und die Nähe zu Tieren suchen, die mir Freude bereiten und nichts von der Corona-Pandemie wissen. Aber noch ist all das möglich und dafür bin ich dankbar. Dankbar für dieses tolle Frühlingswetter, dankbar für meine Freunde, die mich für eine Weile (auf Abstand) in ihrem Garten sitzen lassen oder mit Abstand eine Runde im Park mit mir drehen.
Marli, der weiße Kakadu
Und dann lerne ich Marli kennen, den weißen Kakadu einer Freundin. Ich hatte schon viel über diesen Vogel gehört, dass er Möbel zerlegt, sich manchmal wie ein Kind verhält, aber vor allen Dingen viel Spaß macht. Ich hatte keine richtige Vorstellung davon, was mich bei Marli erwartet. Als ich ihm dann begegne bin ich von Anfang an von diesem schönen Tier und seiner Intelligenz fasziniert. Ich bewundere besonders seine Art sich zu bewegen, wie er sich mit seinem starken Schnabel, der die Farbe von grauem Schiefer hat, in seiner Voliere hochhangelt, geschickt und elegant über Äste klettert und zur Begrüßung ein fröhliches „Hallo“ ruft. Ihr ahnt es bereits, ich habe mich sogleich verliebt.
Als ich mit meiner Freundin im Garten sitze und wir Marli beobachten kommt das Gespräch auf meine alten, bereits kaputten Laufschuhe, die ich noch trage aber demnächst entsorgen will. Als ich höre, dass der Kakadu auch gerne Schuhe auseinander nimmt, ist alles klar. Die Schuhe des Wandervogels (also ich) gehen an dieses elegante Tier und ich bin schon ganz gespannt wie er damit umgeht.
Faszination Schnürsenkel
Gestern war es dann soweit. Ich packe mein durchgelaufenes Paar Laufschuhe in den Rucksack, schwinge mich aufs Rad. Ich genieße die herrliche Tour entlang der Oker zum Garten meiner Freundin. Als ich dort ankomme höre ich schon das fröhliche „Hallo“ des Kakadus und ich bilde mir sogleich ein, dass er mich wieder erkennt. Voller Vorfreude auf das Spektakel packe ich die Laufschuhe aus. Ich erhasche den teils ungläubigen, teils begeisterten Blick des Vogels: „Oh, sind die wirklich für mich“, scheint er zu denken. Noch ist Marli zu aufgeregt über den Besuch, sodass der Schuh zunächst eine Nebenrolle spielt. Aber dann hat er ihn am Wickel. Unglaublich, wie gewandt der Kakadu den Schuh zu sich auf den Ast hochzieht. Auf den Bildern könnt ihr ja das Größenverhältnis zwischen Schuh und Kakadu sehen. Zunächst kümmert er sich um die Schnürsenkel und beweist dabei erstaunliche Geduld. Vor Begeisterung stellt sich seine Federhaube auf, was besonders schön aussieht.
Entspannte Schildkröten
Ein Stückchen weiter sonnt sich ein Schildkröten-Geschwisterpaar im Gras. Ganz gemächlich schleppen sie ihre schweren Panzer ein Stückweit nach vorne. Während das Weibchen einfach seine Ruhe haben will, rückt ihr jedoch das Männchen immer wieder auf die Pelle. Ich bin mir nicht sicher, ob den beiden auch klar ist, dass sie miteinander verwandt sind? Vielleicht ist dem Herrn aber auch nur langweilig.
Ich setze mich entspannt in einen Hängesessel und lasse die Szenerie auf mich wirken. Herrlich, mal an etwas anderes zu denken als an Corona und die nächsten Einschränkungen. Plötzlich schreit Marli. Jetzt wird ihm doch langweilig, er braucht mehr Aufmerksamkeit. Da er mittlerweile in unserer Nähe ist und somit aber auch in der Sonne sitzt, besprüht ihn meine Freundin mit Wasser, damit er sich nicht zu stark erhitzt. Marli genießt das sichtlich und steht jetzt wieder im Mittelpunkt des Geschehens. Noch ein Stücken Birne für ihn, dann ist er wieder friedlich.
Entlang der Ocker
Am späten Nachmittag radle ich gemütlich an der Ocker entlang zurück. Es ist ruhiger geworden auf den Wegen, es herrscht eine schöne Abendstimmung. Dankbar für diesen schönen Tag fahre ich der sich langsam neigenden Sonne entgegen und genieße den Ausblick auf das ruhige Wasser am Südsee. Einfach schön.