Corona-Tagebuch: Die 1000 €-Frage
An diesem Samstag geht es zum Salzgittersee, einem Naherholungsgebiet. Eine Freundin hatte den Vorschlag gemacht. Gute Idee, denke ich, da war ich nämlich noch nicht. Am Ende der Tour heißt es einhellig: „Nie wieder Salzgitter.“ Unterwegs wird uns die 1000 €-Frage gestellt und wir erleben, dass die Menschen in Salzgitter-Beddingen Samstagmittag mit leeren Vodkaflaschen herumlaufen. Zudem können wir unseren Kaffeedurst erst sehr spät löschen, erleben dafür aber eine Geschichtsstunde der besonderen Art.
Zwei Polen und eine Tasche voller Vodkaflaschen
Zugegeben: Als ich das Stichwort „Salzgitter“ hörte, bin ich schon etwas skeptisch. Schließlich war ich zuletzt selbst dort unterwegs gewesen und war doch wenig beeindruckt sowohl von den Fahrradwegen als auch von den landschaftlichen Schönheiten. Aber, ich lasse mich ja gerne überraschen und zu zweit wirken viele Strecken sowieso viel schöner.
Wir starten am Ringgleis in Braunschweig, fahren zum Westpark und erreichen schließlich Groß-Gleidingen. Wir entdecken ein Hinweisschild zur Schleuse Salzgitter in Üfingen – wir fahren hin. Da entdecken wir einen Radweg direkt am Stichkanal Salzgitter und folgen dem Weg. Auf der Höhe von Salzgitter-Beddingen erreichen wir den Hafen. Hier treffen wir auf ein polnisches Schiff mit zwei Besatzungsmitgliedern. Wir überlegen kurz, ob wir an Bord gehen sollen. Entscheiden uns dann aber anders.
Nach einigen Irrwegen, leider oft auf der Landstraße, kommen wir nach SZ-Beddingen. Es ist Samstagmittag. Es ist fast niemand auf der Straße. Naja, außer einem jungen Mann, den wir anhalten, um nach dem Weg zu fragen. Während meine Freundin mit dem jungen Mann redet, entdecke ich, dass sein Einkaufsbeutel voll ist mit leeren Vodkaflaschen. Naja, was soll man schon machen in SZ-Beddingen?
Ein geschlossenes Dorfcafé
Bereits an der Brücke, die vom Ort über den Stichkanal führt, sehen wir die erste Werbung für das Dorfcafé in Alt-Bleckenstedt. Das macht uns Hoffnung. Wir fahren noch einmal am Stichkanal entlang, da kommt auch schon Schacht Konrad ins Blickfeld. Wir radeln in den Ort hinein. Das Café ist gut ausgeschildert, wir werden sofort fündig. Dann ereilt uns die große Enttäuschung: coronabedingt hat das Café nur am Sonntag offen.
Die 1000 €-Frage
Nun, diese Niederlage müssen wir einstecken. Bleibt aber noch die Frage, wo es nun zum Salzgittersee geht. Das NAVI zeigt eine andere Route an als die Fahrradschilder. Da kann nur ein Einheimischer helfen. Ich hatte bereits einen älteren Herren mit seiner „Fußhupe“ dabei beobachtet wie die beiden spazieren gehen. Der Mann trägt standesgemäß Trainingshose und Schlabberoberteil. Gut, wozu auf dem Dorf schick machen? Ich denke nochmals an den jungen Mann mit den leeren Vodkaflaschen – na, vermutlich hat der ältere Herr diese Phase bereits hinter sich. Übrig geblieben ist die Trainingshose. Zum Spaß sage ich: „Wir fragen den älteren Herren.“ Der ältere Herr mit Hund kommt auf uns zu, so als ob er unsere Frage bereits erwartet hätte. „Hallo“, grüßt ihn meine Freundin, „darf ich Sie mal was fragen?“ „1.000 Euro“ kommt es aus dem Mund des Herrn, wie aus der Pistole geschossen. „Aha“, sagen wir. Schließlich sagt er uns doch, wie wir nach SZ-Lebenstedt bzw. zum Salzgittersee kommen.
Das Grubenunglück von Lengede
Wir erreichen den Salzgittersee. Der Weg war alles andere als schön. Oftmals verläuft der Fahrradweg direkt auf der Landstraße. Uns ist immer mehr die Lust vergangen. Nein, Richtung Salzgitter möchten wir künftig nicht mehr fahren. Es gibt einfach keine schönen Fahrradwege. Das ist schade.
Den Rückweg wollen wir anders gestalten. Es geht zunächst nach Broistedt und von dort nach Lengede. Der Radweg führt uns an der Gedenkstätte des dortigen Grubenunglücks vorbei. Über Schautafeln tauchen wir in die Geschichte ein und das Unglück, das sich hier im Herbst 1963 ereignete, als 129 Bergarbeiter vom Einbruch eines Bergbau-Klärteiches überrascht werden. Man möchte sich kaum vorstellen, wie schlimm das damals gewesen sein muss.
Vorbei an den Teichen von Lengede geht es zurück. Wir erreichen Vallstedt und fahren von dort Richtung Wolfenbüttel. Kurz vor SZ-Thiede biegen wir Richtung Groß-Gleidingen ab. Wir fahren über die Felder zurück nach Timmerlah. Durch den Westpark geht es zurück zum Ausgangspunkt. „Nie wieder Salzgitter“, wir bleiben dabei und denken über eine Tour nach Gifhorn nach.