Monsieur Claudes Dilemma

Christina/ Januar 3, 2015/ Alltagsgeschichten

Monsieur Claude ist ein wahrer Bilderbuchfranzose, wie er wahrscheinlich in jedem Fremdsprachenlehrbuch zu finden ist. Monsieur Claude ist gut beleibt, hat ein schönes Häuschen auf dem Lande, eine Karriere, eine vorzeigbare Frau und vier perfekte Töchter. Monsieur Claude ist zudem gerade oder besser immer noch, im Kino zu sehen. Monsieur Claude und seine vier Töchter kann wohl gut und gerne als DIE französische (Multikulti-)Komödie des Jahres bezeichnet werden. Selbst in meiner vergleichsweise kleinen Stadt hält sich der Film schon über Monate im Kino. Solange, dass ich dachte, na, da muss doch etwas dransein. Also nichts wie rein.

Tja, der Film um Claude und seine vier Töchter ist wohl das, was man weitläufig ein „Feel-good-Movie“ nennt, viele heikle Themen werden angerissen, nichts wird vertieft oder so angepackt, dass es den Zuschauer in die Reflexion des Erlebten zwingen könnte. Natürlich nicht, denn dann wäre es ja kein „Feel-good-Movie“ mehr, sondern ein ernstzunehmender, kritischer Film, der vermutlich nach einer Spielwoche sang- und klanglos aus den Kinos verschwunden wäre. Woran ich mich störe? Also, wie gesagt, der Herr Claude hat diese perfekte Familie mit den vier Töchter; eine ist hübscher als die andere und dazu noch hochgebildet und natürlich beruflich sehr erfolgreich. Also nichts Besonderes? Wenn ihr jetzt mal gedanklich euren Freundeskreis durchgeht, wie viele – zumindest äußerlich – perfekte Familien fallen euch da ein? Nicht so viel? Komisch, mir auch nicht. Aber weiter. Alles scheint bei Herrn Claude also perfekt zu sein bis, ja bis sich seine Töchter dafür entscheiden zu heiraten. Und sie heiraten nicht irgendjemanden, also eben keinen guten französischen Katholiken. Nein, sie heiraten einen Juden, einen Muslimen und einen Chinesen. Ja und zu guter Letzt dann auch noch einen Farbigen – der aber immerhin Katholik ist!

So, und der Vater dieses farbigen Katholiken von der Elfenbeinküste ist tatsächlich genauso mit stereotypen Vorurteilen vollgestopft wie unser Protagonist, der Monsieur Claude. Hier nährt sich also die Hoffnung, dass es der Film jetzt noch eine metapherartige Wendung nimmt, indem Monsieur Claude der „rassistische Spiegel“ vorgehalten wird – nachdem er ca. 1 Stunde lang so jeden klischeehaften Witz über Juden, Muslime und Chinesen heruntergespult hat, den man sich wohl vorstellen kann. Leider wird auch diese aussichtsreiche Klippe launig umschifft und das Gute bleibt im Ansatz stecken. Der geneigte Zuschauer ahnt es bereits, Monsieur Claude und sein farbiger Gegenpart werden gut Freunde und reiten schließlich zusammen in den Sonnenuntergang beziehungsweise versprechen sich, dass ihre Familien sich gegenseitig in Israel, im Maghreb, in China und eben an der Elfenbeinküste besuchen. Zum Glück, denn das enthebt den Filmbesucher endgültig von der kritischen Auseinandersetzung mit dem angekündigten „Multikulti-„Thema und des Perspektivenwechsels, warum der jeweils ausländische Galan der Töchter eben kein guter französischer Katholik ist und nicht die Erwartungshaltung der Verneuils an den perfekten Schwiegersohn erfüllt und warum das eigentlich auch kein Problem ist. Nein, so wird dem Kinobesucher vielmehr die Chance gegeben, das Kino beschwingt und mit seiner vorgefertigten Meinung über Juden, Muslime, Shintuisten und afrikanische Katholiken zu verlassen. Alles ist also gut – nichts wird infrage gestellt, nichts muss hinterfragt werden. Alles bleibt beim Alten.

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