Buchrezension: Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe

Christina/ August 1, 2021/ Kultur

Zwei Journalisten haben in dem Buch „Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe“ den Versuch unternommen, den US-Wahlkampf 2020 in all seinen Facetten festzuhalten. Die Reise von Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby vom Juni 2019 bis August 2020 hat ein fast 400 Seiten starkes Buch hervorgebracht, in dem es um nichts Geringeres geht als das Ende der Wahrheit. Laut dem Autorenduo ist aus dem „Land of the free“ unter Trump eine funktionsunfähige Demokratie geworden. Ob der neue Präsident Joe Biden den turnaround schaffen wird und das gespaltene Land wieder einigen kann bleibt indes Zukunftsmusik.

Mein Weißes Haus verlasse ich nicht!
Ich bin mir sicher, dass sich die meisten von euch noch an Trumps Rumpelstilzchen-Attitüde „Nein, aus meinem Weißen Haus ziehe ich nicht aus“ erinnern können. Ich finde es immer noch unfassbar, dass sich ein erwachsener alter Mann, der dazu auch noch das einflussreichste Amt der Welt bekleidet, wie ein dreijähriges Kind aufführt. Nur, während ich vielleicht Donald nur als narzisstischen Kasper wahrgenommmen habe, hatten andere Menschen in seiner Nähe doch sehr unter seiner unberechenbaren und despotischen Art zu leiden.

Die Rolle der Medien
Als Journalisten beleuchten Brinkbäumer und Lamby selbstverständlich auch die Rolle der Medien während der Präsidentschaft Trumps und im Wahlkampf. Noch mehr als in Europa bestimmen Einschaltquoten und Werbeeinnahmen die Programmauswahl. Da werden auch mal bewusst Falschmeldungen oder „alternative Fakten“ über den Äther geschickt, solange das Publikum einschaltet. Der Begriff der alternativen Fakten wurde von der damaligen Pressesprecherin Kellyanne Conway nach der Inaugurationsfeier im Januar 2017 geprägt, als es darum ging, wie viele Menschen damals tatsächlich auf den Straßen Washingtons den Feierlichkeiten beigewohnt hätten. Bis Juni 2020, so ergab es eine Recherche der Washington Post, hätte Trump 20.000 Mal die Unwahrheit gesagt.

Soziale Medien, wie Facebook oder Twitter, haben von der Präsidentschaft des Mannes mit der gewöhnungsbedürftigen Frisur profitiert. Fast jede Twitter-Meldung des Staatschefs wurde in der Öffentlichkeit publiziert, zitiert, kommentiert und zelebriert. Amerikanische Radiogrößen wie Rush Limbaugh oder Sebastian Gorka verbreiten Trumps Botschaften und loben seine Erfolge. Und Gorka ist es auch, der eines klarstellt: „In der Politik geht es nicht ums Versöhnen. Es geht ums Gewinnen.“

Die Attitüde des Triumphators, genau hier liegt das Credo von Donald Trump. So sieht es jedenfalls Marty Barton, der Chefredakteur der Washington Post: „Er ist ein Raufbold, seit er ein Kind war, […]. Er glaubt, dass die Welt in Sieger und Verlierer aufgeteilt ist, und er will immer, unbedingt auf der Seite der Sieger sein […].

Wie Demokratien sterben
Demokratien, so konstatieren es die beiden Journalisten, schaffen sich heutzutage selbst ab. Vermutlich kann mit dem Verhalten eines Donald Trump diese These besonders gut belegt werden, denn die Liste seiner Verfehlungen ist lang: der Einsatz der Nationalgarde gegen Demonstranten, seine Behauptung Briefwahlen seinen unfair und gefährlich, seine Ankündigung, eine Wahlniederlage nicht anzuerkennen verbunden mit der Drohung, das Weiße Haus nicht zu verlassen, seine rasisstischen, frauen- und ausländerfeindlichen Äußerungen.

Brinkbäumer und Lamby beschließen ihre Bestandsaufnahme der Trumpjahre mit der Feststellung, dass Amerika einer neuen amerikanischen Erzählung bedürfe, um wieder zur alten Größe zu finden. Können es die Vereinigten Staaten schaffen, das Land der Intelligenten und Kreativen („land of bright and creative“) zu werden, das die Menschheit durch die schwerste Krise führt, die die Welt je erlebt hat („leading humanity through its most serious crisis“)? Time will tell – die Zeit wird es lehren.

Brinkbäumer, Klaus; Lamby, Stephan (2020): Im Wahn. Die amerikanische Katastrophe. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung. Link zum Buch.

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