James von Leyden: Die Vermissten von Tanger. Ein Marokko-Krimi
„Die Vermissten von Tanger“ ist von Leydens zweiter Roman. Über den Untertitel „Ein Marokko-Krimi“ war ich auf das erste Buch, namens „Schatten über Marrakesch“ in der Bibliothek meines Vertrauens aufmerksam geworden. Als Wirtschaftsarabistin stürze ich mich auf alles, was mit dem Nahen Osten oder Nordafrika zu tun hat. Während sich der erste Krimi um Lieutenant Karim Belkacem dem Frauenbild der marokkanischen Gesellschaft in Form eines Serienmörders widmet, geht es im zweiten Teil um ein Thema, das weit über das nordafrikanische Land hinaus geht: Medikamentenfälschung und das Geschäft mit Flüchtlingen.
Ein wahrer Fall
Das Buch spielt 12 Jahre nach dem Grenzschutzabkommen zwischen der EU und Marokko. Unter anderem wird der Sturm auf den Grenzzaun von Melilla nachgezeichnet, inklusive der brutalen Niederschlagung durch marokkanische Grenzpolizisten. In von Leydens Krimi geht es um korrupte Beamte, die sich an der Hoffnung junger Afrikaner bereichern, in Europa ein besseres Leben führen zu können. Mit einem von Ihnen, Joseph ist sein Name, freundet sich Belkacem auf der Suche nach dem Mörder seines Polizistenfreundes Abdou an.
Der Drogenbaron Mohammed Kharraz spielt auch in von Leydens Roman eine tragende Rolle. Nicht als Händler sondern als Chef einer Sicherheitsfirma, der Drahtzieher hinter den Verbrecher, die auf dem Frachter „Mustafa“ von ihm beauftragt verübt werden. Mit falschen Versprechungen werden Migranten von ihm in Container verfrachtet. Das Versprechen lautet, dass er sie über das Meer nach Spanien transportiert. Sobald das Schiff jedoch den Hafen verlassen hat, wird der Container mit den Menschen in den Atlantik geworfen. Über einen Luftschacht dringt dann sehr schnell das Meerwasser in den Behält, sodass die Insassen ertrinken und ein kühles Grab auf dem Meeresboden finden.
Das lukrative Geschäft mit gefälschten Medikamenten
Natürlich handelt Kharraz nicht allein. Sein Verbündeter ist die Justizpolizei von Tanger. Und das ist nicht alles. In dem Krimi verhält es sich so, dass die Chinesen die Auftraggeber hinter den Morden sind. Sie wollen ihren Handel mit gefälschten Medikamenten nicht gefährden. Der lukrative Handel kostet Schätzungen der WHO zufolge jährlich ca. 10.000 Todesopfer in Afrika.
Die Abkommen mit Ländern, in denen ein zweifelhaftes Menschenrechtsverständnis vorherrscht, werden mit unseren Steuergeldern bezahlt. Und dabei bekämpfen „wir“ nicht einmal die Ursachen der Flüchtlingsströme, sondern lediglich die Symptome. Warum ist die Politik, warum ist die Gesellschaft nicht wenigstens so ehrlich zu sich selbst, um zu erkennen, dass wir auf Kosten anderer Menschen leben, mit unserem Hunger nach Rohstoffen und anderen Dingen. Ist es da wirklich verwunderlich, dass Menschen aus anderen Teilen der Welt auch ein Stück vom Glück haben möchten?
Der gefährliche Weg ins Paradies
Und wer jetzt noch meint, dass die Flüchtlinge und Migranten mal eben so ins vermeintliche Paradies reisen, so wie wir das 3-4 mal im Jahr tun, der möchte sich den Film „Reise der Hoffnung“ anschauen und sich dann überlegen, ob er dieselbe Reise antreten und überstehen würde.