Jenseits des Exotismus: Afrikanische Wirklichkeiten einer Ausstellung
Die Ausstellung „Ruth Baumgarte: Vision Afrika. Turn of the fire“ ist am 24.3.2019 im Städtischen Museum Braunschweig mit einem Festakt eröffnet worden. Ich hatte das Glück, dabei sein zu dürfen. Die Ausstellung zeigt ausgewählte Stücke des Oeuvres der deutschen Künstlerin Ruth Baumgarte, die seit den 1980er Jahren regelmäßig nach Süd- und Ostafrika gereist ist. Eine sehr interessante Schau, die die Menschen nicht in kolonialherrschaftlicher Manier als Exponate in Szene setzt, sondern eine subjektive Darstellung aus Künstlerperspektive zeigt. Die Ausstellung ist vom 24. März bis 7. Juli 2019 im Haus am Löwenwall zu sehen.
Unverhoffte Showeinalage
Vermutlich ist der ein oder andere auch durch die angekündigte Lesung mit Hannelore Hoger an diesem sonnigen Nachmittag in das Museum gelockt worden. Eine Performance der unerwarteten Art allerdings spielt sich bereits im Vorfeld der Ausstellungseröffnung ab. Plötzlich bahnte sich ein Herr mit freiem Oberkörper den Weg durch die Menge bis zu der Stelle, wo Tisch und Stuhl für die Lesung bereits platziert sind. Im ersten Moment sind sowohl die Überraschung als auch die Verwirrung im Publikum so groß, dass keiner so recht weiß, ob diese Inszenierung Teil des geplanten Programms ist. Der Auftritt des Herrn, der sich im Stile eines Arnold Schwarzeneggers vor dem Publikum positioniert und posiert, genügt nach der Schreckenssekunde dem allgemeinen Amüsement. Nachdem er seine 2-Minuten-Ruhm ausgekostet hat, wird der Herr vergleichsweise unauffällig vom Museumspersonal „aus dem Verkehr“ gezogen – darf aber dennoch (wieder bekleidet) der Eröffnung weiterhin beiwohnen und wird anschließend sogar im Zwiegespräch mit Frau Hoger gesehen.
Ein kleiner Ausschnitt eines großen Kontinents
Nach dieser unfreiwilligen Einlage geht es dann mit einer Begrüßungsrede des Museumsdirektors, Dr. Peter Joch, ordnungsgemäß weiter. Joch gibt mit seinem Vortrag einen interessanten Einblick in die Beweggründe Baumgartes für ihr künstlerisches Schaffen und ihre Zuneigung zu Teilen Afrikas. Ich spreche hier bewusst von „Teilen Afrikas“, da sich der afrikanische Kontinent insgesamt aus 50 Staaten zusammensetzt und über 2.000 verschiedene Sprachen verfügt, sodass ich es in diesem Zusammenhang für nicht angebracht halte von Afrika als Ganzes zu sprechen. Auch wenn ich selbst nur einen kleinen Ausschnitt des Kontinents kenne (Nordafrika und Südafrika), so möchte ich an dieser Stelle behaupten, dass es weder DEN Afrikaner gibt, noch DAS Afrika als eine kulturelle oder politische Einheit. Joch weist in seiner Rede daraufhin, dass Baumgarte im Gegensatz zu den exotischen Vorstellungen manches Kolonialherren, ihre Figuren weder mit einer „Attitüde der Überlegenheit“ darstellt, noch aus einer „voyeuristischen Perspektive“. Jenseits des Exotismus geht es der Künstlerin nach Joch darum, soziokulturelle und politische Wirklichkeiten der besuchten Länder zu präsentieren, Entwicklungen und empfundene Abgründe zu porträtieren.
Nach den Dankes- und Grußworten ihre Sohnes und Leiters der gleichnamigen Stiftung betritt die Schauspielerin Hannelore Hoger die Bühne. Hoger, so haben wir vorab gelernt, war auch eine enge Freundin Baumgartes. Die Schauspielerin liest drei afrikanische Geschichten, besser „Reiseberichte“, vor. Der erste Bericht stammt von einem deutschen Korrespondenten des Spiegels, die beiden anderen von einem kenianischen preisgekrönten Journalisten. Alle drei Lesestücke bieten interessante Einblicke in einen kleinen Teil ostafrikanischen Lebens. Besonders die Texte des Kenianers erzählen vom gesellschaftlichen Wandel des Molochs Nairobi, seiner Heimatstadt, die er einst für einen Umzug nach Südafrika verlassen hatte. Aus meiner Sicht ist jedoch anzumerken, dass speziell die beiden letzten Berichte sehr lang und recht verschachtelt geschrieben sind. An dieser Stelle muss der Zuhörer seine gesamte Konzentration aufbringen, um nicht den Faden zu verlieren. Das finde ich schade. Hier wären m.E. kürze, prägnantere Darstellung für den Zweck dienlicher gewesen. Und zugegeben: Nach einer guten Stunde des Zuhörens mit einer trockenen Kehle, mag ich nicht die einzige gewesen sein, die sich innerlich bereits auf den in Sichtweite aufgestellten Umtrunk gefreut hat.
Bilder „on fire“
Nachdem die Kehle wieder befeuchtet ist, mache ich mich daran mit meiner Begleitung die Bilder zu erkunden. Von den leuchtenden Farben der Werke waren wir bereits beim Betreten des Museums begeistert. Es dominieren die Leitfarben rot, blau und gelb. Sie setzen die Bilder buchstäblich „on fire“, wie der Ausstellungstitel bereits suggeriert.
Ich bin weit davon entfernt, das Werk eines Künstlers nach professionellen Maßstäben beurteilen zu können. Ich kann demnach nur laienhaft sagen, ob mir Bilder gefallen oder nicht, ob die Darstellungen mich ansprechen und sich vielleicht mit meinen eigenen Erfahrungen von Afrika decken. Allein die Farbgewalt der Bilder hat mich beeindruckt, mindestens genauso, wie die Art der Darstellung. Aus der Ferne betrachtet ergeben die schwungvollen Striche der Ölfarben Figuren, Landschaften und Tiere. Eine nähere Betrachtung jedoch offenbart, dass Landschaft und Figur oft eins sind und nur das Auge einen Kopf, eine Hand oder einen Arm „plastisch“ entdeckt. Die Aquarelle, Zeichnungen und Ölgemälde drücken zudem einen aufgeschlossenen, kritischen und doch zugeneigten Blick auf die besuchten afrikanischen Ländern und deren Bevölkerung aus. Eine lohnende Ausstellung für alle, die gerne nach Afrika reisen oder dies noch vorhaben. Aber auch für alle anderen ist der unprätentiöse Blick auf einen Kontinent, der in den westlichen Medien oftmals mit Armut, Kriegen, Rückständigkeit und Hilflosigkeit in Verbindung gebracht wird, absolut lohnenswert – vorausgesetzt der Betrachter schließt eine kritische Reflexion seiner vorgefertigten „Afrikabilder“ nicht aus.
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Das titelgebende Bild der Ausstellung