La Réunion: Das französische Wanderparadies im Indischen Ozean

Christina/ Oktober 19, 2023/ Kultur

Die Insel La Réunion gilt als französischen Wanderparadies im Indischen Ozean. Und das zurecht. „Hike till you drop“ könnte das Motto lauten. Mit drei faszinierenden Talkesseln und Küste rund um die Insel bleibt kein Wunsch offen. Mit dem Piton des Neiges hat das Eiland zudem den höchsten Berg des Indischen Ozeans im Angebot. In der Vulkanregion, im Osten des Landes, lockt der noch aktive Piton de la Fournaise die Massen zum Lavagestein. Aber auch, oder gerade, wer die absolute Ruhe sucht, ist auf La Réunion genau richtig. Während an den Stränden im Westen, der „Côte sous le vent“ das Leben tobt, ist der Talkessel Mafate eine Region der Insel, die nur zu Fuß zu erreichen ist. Für mich ist La Réunion ein Paradies: die perfekte Auszeit vom medialen Dauerstress und den Krisen dieser Welt. Ein Aufenthalt, der mich für eine Weile glauben lässt, dass das Leben perfekt sein kann.

Im Wanderparadies
Die Wandermöglichkeiten auf La Réunion sind vielseitig. Im Grunde genommen, ist für jeden Anspruch und für jedes Niveau. Aber Vorsicht. Auf keinen Fall sollte man die klimatischen Verhältnisse vor Ort unterschätzen. Besonders an der Küste, geht die Luftfeuchtigkeit richtig in die Beine. Die Bergtouren sind nicht für Anfänger oder Gelegenheitswanderer geeignet. Trittsicherheit und Kondition sind hier die Grundvoraussetzungen. Bei einigen Wanderungen ist Schwindelfreiheit zudem ein Plus.

Wandermittelpunkt sind die drei Talkessel der Insel: Mafate, Cilaos und Salazie sind ihre Namen. Obwohl die Insel mit 2.500 km2 Grundfläche eine überschaubare Größe hat und theoretisch in gut fünf Stunden mit dem Auto umrundet werden kann, halte ich es für ratsam, die Anfahrtswege zu den Ausgangspunkten der Wanderungen nicht zu unterschätzen. Aus diesem Grund haben wir uns für Quartiere in vier verschiedenen Teilen der Insel entschieden. Das macht allein schon deshalb Sinn, weil in den Bergen im Laufe des Vormittags Wolken aufziehen. Diese bringen nicht unbedingt Regen, versperren aber die Aussicht auf die atemberaubende Landschaft. Wir haben allerdings auch den umgekehrten Fall erlebt. Flexibilität ist also von Vorteil.

Erstes Basislager: Cilaos
Die ersten fünf Tage haben wir in Cilaos gewohnt. Dann ging es für vier Tage weiter nach Hell-Bourg. Zwei Tage haben wir uns in Plaine des Cafres gegönnt, bevor wir die restlichen Tage in Saint-Gilles les Bains verbracht haben. Angekommen sind wir in St. Denis, der Hauptstadt der Insel. Den Tag haben wir für einen Stadtrundgang genutzt. Allerdings muss ich sagen, dass die Stadt sonntags doch recht ausgestorben wirkt. Allein die Fahrt am nächsten Tag nach Cilaos war dann schon wieder ein Abenteuer. Die Straße hat viele enge Kurven und auch einige interessant Tunnel. Es ist auf jeden Fall schlau, bei den engen Biegungen immer mal wieder die Hupe zu bedienen.

Angekommen in Cilaos haben wir festgestellt, dass es hier oben auch durchaus kühl sein kann. Da zahlen sich die beiden Swimmingpools im Hotel aus, die mit über 30 Grad wie eine überdimensionale Badewanne zum Relaxen einladen. Der Ort selbst ist klein und übersichtlich und definitiv ein Wandermekka. Wir machen uns gleich zur Touristeninformation auf. Hier gibt es – in Deutsch! – eine Übersicht über die Wandermöglichkeiten im Cirque de Cilaos. Siebzehn Wanderungen werden aufgeführt, geordnet nach Schwierigkeitsgrad. Da wir uns vor dem Abendessen noch etwas die Beine vertreten wollen, legen wir gleich los. Direkt aus der „Innenstadt“ gehen wir hinauf zum Plateau des Chênes und peilen den Aussichtspunkt „Roche Merveilleuse“ an. Bereits bei dieser kleinen Tour wird deutlich, dass wir es einerseits nicht mit Spaziergängen zu tun haben und andererseits uns großartige Ausblicke auf die Talkessel erwarten.

Landschaftliche Höhepunkt am Bras-Rouge
Gleich am nächsten Morgen geht es in die Vollen. Wir erwischen einen fantastischen Tag und machen uns auf zum „Bras Rouge“. Es erwartet uns eine abwechslungsreiche Rundwanderung mit 680 Metern Höhenunterschied und einem einmaligen Picknick-Platz am Wasserfall. Den Trail haben wir uns auf das Handy geladen – die Strecke ist aber auch gut ausgeschildert und der Verlauf leicht zu finden. Das gilt im Grunde genommen für fast alle Touren, die wir unternommen haben. Da der Weg direkt im Ortszentrum startet, benötigen wir an diesem Tag kein Auto. Nach dem Marsch hätten wir uns in Cilaos gerne ein „Sofortbier“ gegönnt. Leider müssen wir aber feststellen, dass im Ort alle Cafés geschlossen haben und auch in unserem Hotel werden alkoholische Getränke erst nach 18 Uhr serviert.

Für den zweiten Tag haben wir das Cap Bouteille auf dem Plan. Die Anfahrt zum Ausgangspunkt ist recht kurz. Der erste Abschnitt des Weges führt in Richtung Col du Taibit. Da es nur bergauf geht und uns die Sonne in den Nacken scheint, ist der Start sehr schweißtreibend. Auf dem Plateau biegen wir rechts in einen kleinen Weg ab. Von hier aus geht es wortwörtlich durch die Pampa. Hier gibt es keinerlei Ausschilderung. Zunächst ist jedoch der Weg noch gut zu erkennen. Als wir allerdings die Source du Cap Bouteille erreichen, wird es schwierig. Hier sind wir etwas lost. Wir überqueren den Fluss und steigen einen glitschigen Abhang hinauf. Ab hier sind keine Wege mehr zu erkennen, außer dem Trail der zum Bras-Rouge hinunterführt. Leider ist es uns nicht vergönnt, den Point de vue zu finden. Unverrichteter Dinge machen wir uns auf den Rückweg. Wir sind recht froh, dass wir erneut den Fluss erreichen, ohne dass wir uns auf der rutschigen Strecke auf den Hosenboden gesetzt haben. Von dort aus nehmen wir denselben Weg zurück. Diese Tour können wir nicht wirklich empfehlen.

Die Felsenhöhle La Chapelle
Am nächsten Tag erleben wir aber wieder ein „Knaller“. Unser Ziel ist „La Chapelle“, eine spektakuläre Felshöhle. Die Wanderung beginnt wieder direkt in Cilaos, sodass unser Auto zuhause bleibt. Der Trail ist fantastisch, wenn auch nicht ohne Tücken. Wie so oft bei den Wanderungen müssen wir auch hier öfter ein Flussbett durchqueren. Es lohnt sich wirklich, die Badeschlappen einzupacken. Zwischen 10 Uhr und 12 Uhr sollen von oben die Sonnenstrahlen in die Felsspalte einfallen. Leider zieht der Himmel an diesem Tag bereits sehr früh zu. Die Strecke lohnt sich aber in jedem Fall. Teilweise haben wir uns wie in einer arabischen Oase gefühlt. Da der Weg viel begangen ist, ist es auch kein Problem die Felshöhle zu finden – wir müssen nur der Meute folgen.

Vorsicht Trailrunner
„Der Hammer“ ist unsere letzte Wandertour bei Cilaos: Ravine des Calumets – Palmiste Rouge Runde von Peter Both. Die Tour ist mit „mittelschwer“ klassifiziert. Das würde ich nicht unbedingt unterschreiben. Bereits auf dem Hinweg müssen wir schon sehr auf den Weg achten, da es nicht nur steil nach unten geht, sondern der Weg auch teilweise abgebrochen ist bzw. vom Regen weggeschwemmt wurde. Wieder einmal müssen wir ein Flussbett durchqueren. Während wir uns noch nach dem richtigen Weg umschauen, kommen uns die ersten Trailrunner entgegen. Das scheint in Frankreich z.Zt. der „dernier cri“ zu sein. Diese verrückten Personen, die die steilsten und steinigsten Strecken hoch- und runter joggen, begegnen uns immer wieder. Als wir einen Sportladen aufsuchen, sehe ich zudem, dass für die Outfits von Trailrunnern überall geworben wird. Völlig durchgeknallt, wie ich finde, zumal man für das Equipment selbst in einem Sport-Discounter locker um die 300 Euro hinlegt. Wir wandern gemütlich bis nach Palmiste Rouge weiter. Auf der gegenüberliegenden Felswand soll es zurückgehen. Hm, erstmal kann ich keinen Weg erkennen. Dank GPS finden wir aber den Einstieg. Und jetzt geht es richtig zur Sache. Der Weg ist so steil, dass mein Körper gar nicht so schnell den Schweiß produzieren kann, den ich ausschwitze. Innerhalb von ein paar Minuten sind unsere Oberteile komplett durch, so als ob wir in einen kräftigen Regenschauer geraten wären. Ich versuche mir permanent die Transpirationsflüssigkeit von der Stirn zu wischen, damit ich nicht auch noch im Blindlauf hier hochmuss. Als wir endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, oben ankommen, kann ich kaum glauben, dass wir es geschafft haben. Aus den Augenwinkeln sehe ich, dass es linker Hand noch höher geht. Ich werfe einen ängstlichen Blick auf Holger. Der winkt aber ab. Von hier aus geht es bergab, auch mit unseren Kräften. Insgesamt eine großartige Tour, aber mit bereits vier Touren in den Beinen sind wir hier doch an unser Limit gestoßen. Gut, dass es am nächsten Tag nach Hell-Bourg geht und wir etwas chillen können.

Das Schmuckstück Hell-Bourg
Das kleine Örtchen Hell-Bourg scheint eines der beliebtesten Standorte für Wanderer auf La Réunion zu sein. Jedenfalls hatten wir hier vorab die größten Probleme, eine Übernachtung zu finden. Das Dorf liegt im Herzen des Cirque de Salazie (Talkessel von Salazie). Obwohl Hell-Bourg im Grunde genommen nur aus einer Hauptstraße besteht, hat es seinen ganz eigenen Charme. Besonders gefallen hat uns die Unterkunft „Jardin D’Heva“. Die Unterkunft besteht aus sechs individuell gestalteten Hütten mit einer Terrasse. Das Gelände hat einen wunderschönen Garten. Nachhaltigkeit wird hier großgeschrieben. Das Frühstück ist klein, aber fein: die Marmeladen, der Honig, das Brot etc. – alles selbst gemacht! Ein Ort der Entspannung!

Von Hell-Bourg aus haben wir drei Wanderungen unternommen: Über den Regenwald Fôret de Bélouve sind wir zum Trou de Fer, dem Höllenloch, gewandert. Auch diese Wanderung konnten wir direkt von unserer Unterkunft aus starten. Selbstredend geht es zu Beginn der Tour erstmal richtig steil nach oben, um zum Ausgangspunkt zu gelangen. Oben angekommen haben wir Glück, dass sich die Wolken gerade verziehen und den magischen Blick auf Hell-Bourg freigeben. Die eigentliche Herausforderung aber kommt erst noch. Von der Gîte de Bélouve geht es nämlich in den Regenwald. Der Trail, der größtenteils über Holzstege führt, ist wirklich schön. Nur, die Wege waren so durchnässt, dass wir mehr geschlittert als gewandert sind. Erschwerend kam hinzu, dass der Rückweg gesperrt war und somit alle Wanderer den gleichen Hin- und Rückweg nehmen mussten, was bei den oftmals sehr schmalen Wegen eine echte Herausforderung ist.

Am Höllenloch treffen sich dann alle wieder. Der Point de vue am Trou de Fer ist ein kleiner Holzbalkon. Als wir dort ankommen liegt alles im Nebel. Aber wie von Geisterhand bewegen sich die Schwaden ganz langsam weiter und geben schließlich den faszinierenden Blick auf die 300 Meter tiefe Schlucht frei. In dieses schwarze Loch fallen die Wasserfälle, die pittoresk von den grünen Felsen herabstürzen. Ein wahres Fest für das Auge. Die meisten Wanderer picknicken an dieser Stelle und bestaunen andächtig das Naturschauspiel.

Entspannung in Bel-Air
Nach der sehr langen und anstrengenden Tour zur Trou de Fer gönnen wir uns am nächsten Tag eine Auszeit und fahren nach Sainte Suzanne. Hier erwartet uns der Leuchtturm von Bel-Air. Von hier aus gehen wir über den Sentier Littoral zur Domaine du Grand Hazier, einer Vanilleraie. Leider werden die Führungen durch die Geschichte der Vanille nur in Französisch angeboten. So gut sind unsere Sprachkenntnisse dann leider doch nicht. So fahren wir weiter nach Saint-André und entdecken den Parc du Colosse für uns. Dieser liegt direkt am Indischen Ozean und ist eine herrliche Oase zum Entspannen.

Am darauffolgenden Tag wollen wir es noch einmal wissen. Eine Wanderung zur Source Manouilh soll es sein. Leider spielt das Wetter an diesem Tag nicht mit. Schon beim Aufstieg regnet es recht kräftig. Im Wald verläuft der Weg über Wurzeln und hat sich durch die Nässe zu einer einzigen Rutschbahn entwickelt. Also steigen wir wieder ab. Im Nachhinein stellt sich dieser Abbruch aber als Glücksfall heraus. Denn, als am Nachmittag wieder die Sonne scheint, machen wir uns auf zur Cascade Blanche bei Salazie. Schnell stellen wir fest, dass das eine sehr gute Entscheidung war. Nicht nur der Weg zum Wasserfall ist sehr schön, auch die Kaskade selbst ist atemberaubend und lädt sogar zu einem Bad ein.

Am Piton de la Fournaise
Am vierten Tag verlassen wir Hell-Bourg und fahren weiter nach Plaine des Cafres. Diesmal kommen wir privat bei einem französischen Ehepaar unter. Die Unterkunft ist einfach, aber zweckmäßig. Die Gastgeber sind herzlich. Hier in der Vulkanregion ist das Wetter auch eher wechselhaft. Um uns die Beine zu vertreten, machen wir einen Spaziergang durch die Weidelandschaft der Hochebene. Wir sind wieder einmal erstaunt. Mit dem Piton Bleu im Hintergrund und den Kühen auf der Wiese könnten wir fast in den Alpen sein.

Für den nächsten Tag haben wir uns das Coteau Maigre vorgenommen. Beim Frühstück fragt uns unser Herbergsvater voller Erwartung, ob wir heute zum Piton de la Fournaise wollen. Als wir ihm von unseren Plänen erzählen, sieht er sehr enttäuscht aus. Aber es kommt alles anders. Der Himmel ist blau und die Sonne scheint, wir entscheiden uns doch für den Vulkan. Bereits die Fahrt zum Ausgangspunkt am Pas de Bellecombe ist irre. Wir erleben immer wieder sensationelle Ausblicke auf die Bergwelt und die wüstenähnliche Landschaft in Richtung Vulkan. Als wir allerdings auf dem Parkplatz ankommen, sehen wir, dass sich der Himmel langsam zuzieht. Was dann folgt ist eine Wanderung im „Nebel des Grauens“. Die Sicht ist so schlecht, dass wir keine fünf Meter weit sehen können. Zudem wird aus dem anfänglichen Nieseln schnell ein Dauerregen. In der Hoffnung, dass sich das Wetter auf dem Weg zum Krater noch bessert, gehen wir weiter. Und wir sind bei Weitem nicht die einzigen. Als das Wetter jedoch immer schlechter wird und wir schon ziemlich durchweicht sind, kommt uns ein Pärchen entgegen. Nachdem uns die beiden erklärt haben, dass es auch am Krater überhaupt nichts zu sehen sei und wir auch noch eine Stunde vor uns hätten, brechen wir frustriert ab. Zurück am Auto habe ich nichts Trockenes mehr an mir. Wir drehen die Heizung im Auto auf so weit es geht. Auf dem Rückweg erkennen wir nichts mehr wieder. Die Wolken sind so weit nach unten gezogen, dass wir nur mit Mühe den Rückweg erkennen können. Ach, wie ist das schön, in der Unterkunft warm zu duschen und sich anschließend vor den Kamin zu setzen.

Spektakuläre Wasserspiele
Tags darauf sagen wir den Wolken und dem Regen adieu und machen uns zur Westküste auf, der Côte sous le vent. Wir checken in unserem Hotel in Saint-Gilles-les-Bains ein. Am Nachmittag besuchen wir den Jardin d’Eden und krönen den Tag mit einem Sundowner am Strand. Wir werden mit einem fantastischen Sonnenuntergang belohnt. Nach all den Bergpanoramen wollen wir am nächsten Tag die Küste erstürmen. Wir fahren nach L’Etang-Salé les Bains. Wir starten am Le Gouffre de L’Etang. Die Szenerie ist atemberaubend. Wir können es kaum glauben, mit welcher Wucht die Wellen des Indischen Ozeans sich hier an den Felsen brechen und die Fontänen in die Luft springen. Ein großartiges Schauspiel, dem man lange zusehen kann.

Wir merken aber, dass eine Wanderung an der Küste aufgrund der klimatischen Verhältnisse viel anstrengender ist. Wir freuen uns also wieder auf die Berge. Noch wissen wir es nicht, aber die zwei letzten Wanderungen sind nicht nur sehr schön sind, sondern es auch in sich haben.

Drei Tage vor unserer Heimreise nehmen wir uns das Cap Noir vor. Dafür haben wir uns auf Komoot die Tour „Cap Noir – Passages avec échelles Runde von Dos d’Ane. Ausgesucht. Mit einer Länge von 7,87 km und 660 Höhenmetern klingt das alles erstmal machbar. Zwar wird die Tour als schwer ausgewiesen. Aber das hatten wir bereits öfter und konnten die Touren immer gut bewältigen. Zwar wurde auch von Leitern gesprochen – die sahen auf den Bildern aber harmlos aus. Waren sie auch. Der Hammer traf uns erst auf dem Rückweg, als wir vom Belvédère Mafate Richtung Dos d‘Ane absteigen.

Das große Abenteuer
Wir beginnen die Tour bei Dos d’Ane und steigen zunächst steil bergauf zum „Vu su Mafate“, einem absolut fantastischen Aussichtspunkt auf den Talkessel von Mafate. Und wir haben Glück, der Tag ist wolkenlos! Auf dem herrlichen Kammweg geht es weiter zum Roche Verre Bouteille. An dieser Stelle sind zwei Felsformationen zu sehen, die so dicht beieinander liegen, dass sie die Silhouette einer Flasche bilden. Unser Rückweg würde eigentlich über den Kiosque (= Schutzhütte) du Cap Noir gehen. Diese Strecke ist aber aufgrund von Felsabbrüchen gesperrt. Aus diesem Grund wandern wir zunächst weiter in Richtung Roche Ecrite. Die Sonne meint es an dem Tag sehr gut mit uns. Da es immer nur berghoch geht, kommen wir ganz schön ins Schwitzen. Auch, wenn die Ausblicke immer wieder schön sind und der Weg gut präpariert ist, zieht es sich. Eigentlich, so denke ich, müssten wir doch langsam wieder absteigen. Wir erreichen den Belvédère Mafate. Wieder sind wir fasziniert von dem herrlichen Blick auf die Bergkette des Talkessels. Kurz hinter dem Aussichtpunkt teilt sich der Weg. Wir verlassen den Sentier de Roche Ecrite und biegen links ab. Ich bin schon ein bisschen vorausgelaufen, als ich Holgers Stimme höre, die nach mir ruft. Wir müssen absteigen. Klar. Als ich allerdings an die Stelle trete, die laut GPS unsere Einstiegsstelle für den Abstieg ist, kann ich in dem dichten Bewuchs keinen Weg erkennen. „Doch“, sagt Holger, „hier muss es sein.“ Ich schnaufe kurz durch und taste mich langsam vor. Beim Anblick des schmalen und sehr steilen Pfads traue ich meinen Augen nicht. Wie sollen wir da heil herunterkommen? Zudem ist der Boden vom Regen aufgeweicht und links neben uns lauert der Abgrund. „Wenn das mal gut geht“, sage ich noch. Ganz vorsichtig und langsam tasten wir uns vor. Der Weg wird immer schlimmer und er ist lang. Jetzt schwitzen wir nicht wegen der Hitze, sondern vor Anspannung und Anstrengung. Wir erreichen eine Passage, die mit einem Seil am Berg gesichert ist. Aber was ist das? Plötzlich hört das Seil auf und fällt in die Tiefe. Was zum T…? Hier sollen wir uns förmlich abseilen. Ich stehe kurz vor dem Herzinfarkt. Wir überlegen und bleiben stehen. Zurück können wir auch nicht mehr. Da kommt eine Wanderin von unten. Auf keinen Fall will ich zuerst absteigen, soll ich hochkommen. Dann kann ich wenigstens sehen, wie sie das macht. Sie klettert tatsächlich hoch. Nur mit größter Mühe schafft sie es an mir vorbei, weil der Weg so schmal ist. Ich fasse etwas Mut und hänge mich ans Seil.

Zum Glück geht alles gut und ich hoffe einfach, dass das die letzte Herausforderung war. Denkste. Nach einer Weile kommen wir an eine Stelle, wo ich nicht mehr weiterweiß. Es ist wieder eine sehr steile Stelle und Teile vom Weg sind einfach weggebrochen. Ich sehe auch nicht, wo wir uns festhalten könnten. Hier sollte man auch sehr vorsichtig sein, da es immer wieder Äste gibt, die nicht mehr fest am Baum sind. Ich lasse Holger vorgehen. Ganz, ganz langsam und mit dem Körper an den Felsen gepresst tasten wir uns vorwärts. Auch diesmal kommen wir glimpflich aus der Sache heraus. Auch auf dem Rest des Weges empfiehlt es sich, konzentriert zu bleiben. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir endlich wieder Dos D’Ane. Wir atmen erstmal durch. Das nenne ich ein wahres Abenteuer. Gut, dass wir nicht vorher wussten, wie der Abstieg aussieht.

Die Tour an sich ist sehr schön, die Ausblicke sind fantastisch, der Kammweg ist toll. Aber wie gesagt, starke Nerven, gute Ausrüstung und Wandererfahrung sind absolute Voraussetzung.

Sans Souci und ohne Regen
Unsere letzte Wandertour führt uns auf den Piton d’Orangers. Die Tour ist mit 16,2 km und 790 Höhenmetern angegeben (Piton des Orangers – Les Terrasses Runde von Dos d’Ane). Start soll ein Parkplatz am Forêt de Sans-Soucis sein. Wir haben etwas Mühe den Ausgangspunkt zu finden. Als wir dann auf der Zielgeraden sind, höre ich einen Knall und dann das Geräusch von schnell entweichender Luft. Oh nee. Wir haben einen Platten. Ich steige aus und schaue mir die Panne an. Ein recht großer Stein hat sich in das Gummi gefressen. Holger hat das aber schnell im Griff – keine fünf Minuten später fahren wir mit dem Ersatzreifen weiter. An der Startstelle angekommen lesen wir, dass der Weg in den Wald wegen Waldarbeiten gesperrt ist. Da das unser Rückweg ist, ignorieren wir den Hinweis erst einmal. Wir steigen gut 500 Meter weiter in den Wanderweg ein. Wie immer geht es mal wieder bergauf. Der Pfad ist zunächst einfach und gut zu begehen. Dann wird es aber wieder abenteuerlich. Wir biegen in den Dschungel ein und warte nur noch darauf, dass Holger mit die Liane zuwirft. Nur gut, dass es auf La Réunion keine wilden oder gefährlichen Tiere gibt. Trotzdem bleibt immer die Vorstellung, dass sich gleich eine Boa von einem der Tropen- oder Tamarindenbäumen abseilt.

Leider wird es auf halber Strecke immer diesiger, sodass wir uns etwaige Ausblicke schon abgeschminkt haben. Aber, es kommt anders. Nachdem wir uns auf den Gipfel des Oranges hinaufgeschleppt haben, werden wir von einer Wolkenlücke überrascht. Staunend stehen wir am Abhang und blicken in den Talkessel von Mafate. Überwältigend. Als ich aus dem Staunen wieder herausfinde und mich umsehe, erkenne ich, dass der Nebel hinter uns in den letzten Minuten so dicht geworden ist, dass alles in einem grauen, diesigen Schleier verschwindet und nur über dem Talkessel der Himmel aufgerissen ist. Irre, absolut irre. Da wir nicht sicher sind, ob das Wetter hält, machen wir uns nach einer kurzen Mittagspause auf den Rückweg.

Wir tauchen in den Wald ein und wandern in Richtung Ilet Alcide. Das Gebiet mit seinem dichten Baum- und Buschwerk ist schon beeindruckend. Auch hier kommt wieder das Gefühl von Abenteuer auf. Unterwegs fängt es leicht zu regnen an. Es ist aber mehr ein feuchter Nebel als tatsächlicher Niederschlag. Der Rückweg ist schon recht lang – weitere Ausblicke gibt es aufgrund des dichten Bewuchses leider nicht. Als wir den Ausgangspunkt erreichen, sind die Waldarbeiten schon lange beendet. Unser Auto ist das einzige, das noch auf dem Parkplatz steht. Als wir wieder auf der Hauptstraße sind, staunen wir nicht schlecht. Hier regnet es in Strömen, runter bis zum Meer. Und wir sind die ganze Zeit mehr oder weniger trocken geblieben. Was für ein Glück. Die Wanderung war auf jeden Fall ein würdiger Abschluss für diesen fantastischen Urlaub auf der wunderschönen Insel La Réunion.

Unsere Wandertouren im Überblick:

Cilaos:
Roche Merveilleuse
Bras Rouge
Cap Bouteille
La Chapelle
Palmiste Rouge

Hell-Bourg:
Fôret de Bélouve und Trou de Fer
Sentier Littoral
Source Manouilh
La Cascade Blanche

Plaine des Cafres:
La Plaine des Cafres – Spaziergang durch die Weidelandschaft
Piton de la Fournaise

Saint-Gilles-les-Bains:
Le Gouffre Etang-Salé
Cap Noir
Piton d‘Oranges

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