Stilvolle Überzeugung: Warum Eleganz der beste Weg ist, Eindruck zu machen
Bei dem letzten Besuch in der örtlichen Stadtbibliothek fällt mein Blick auf ein Buch mit dem Titel „Eleganz. Über eine Haltung, die unser Miteinander bereichert.“ Ich zögere einen Moment. Eigentlich bin ich auf dem Weg in den zweiten Stock. Gleichzeitig frage ich mich, was die Autorin wohl zu dem Thema zu sagen hat. Ein Blick auf den Klappentext kann nicht schaden. Ich weiß nicht, ob eine allgemeingültige Definition des Begriffs existiert (vermutlich). Was mich jedoch anlockt, ist der Vergleich zwischen meiner und einer möglichen neuen Perspektive auf das Sujet. Ohne je näher darüber nachgedacht zu haben, was für mich Eleganz bedeutet, habe ich bisher vermutet, dass eine Person diese entweder besitzt oder eben nicht. Was ich damit sagen will, ist, dass für mich Eleganz etwas ist, dass sich nicht so einfach in Worte fassen lässt. Es ist kein eindimensionaler Begriff. Eleganz ist nicht nur ein guter Kleidungsstil. Es hat viel mit Kultiviertheit zu tun, einer bestimmten Art, sich ausdrücken zu können und aufzutreten, ja, zu erscheinen. In manchem Korsettfilm wird diese Haltung für mich deutlich. Aber auch bei einigen Persönlichkeiten, die ich in meinem Leben kennenlernen durfte, konnte ich eine Eleganz feststellen. Bei wenigen zwar, aber es gibt sie. Grund genug also, dass ich mich vielleicht einmal näher mit dem Gedankengerüst auseinandersetze.
Barbara Vinken, ihres Zeichens deutsche Literaturwissenschaftlerin und Modetheoretikerin; Professorin für Allgemeine Literaturwissenschaft und Romanische Philologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München ist sie auch, hat das oben genannte Buch verfasst. Ich leihe mir ihr Werk also aus und nehme es mit nach Hause. Auf einer Zugfahrt in den Harz ist die Lektüre meine Begleiterin. Der Einstieg erfolgt über Beau Brummel, aka „The Ultimate Man of Style“, um es mit Ian Kelly’s Worten zu sagen. Dieser Lebemann aus dem frühen 19. Jahrhundert verkörpert vermutlich genau das, was Vinken unter Eleganz versteht: Gutes Aussehen, ein erlesener und dabei doch einfacher Kleidungsstil, sehr gute Manieren und eine Lebensphilosophie, die mich sogleich heiter stimmt: „Jede Idee von Haushaltung stößt den Dandy ab; vor allem die Idee, sein Geld selber zu verdienen, erscheint ihm völlig vulgär. Für das Erlesenste, das oft ganz unspektakulär ist und nicht ins Auge fällt, gibt er ohne mit der Wimper zu zucken Unsummen aus, die er nicht hat“. Herrlich!
Madame de Pompadour: „Seien Sie immer heiter, wenn Sie immer schön sein möchten.“
Und das Schöne ist, hier geht es nicht um einen affektierten, selbstverliebten Schönling, der eine Klamotte trägt, die dem „Dernier Cri“ entspricht oder noch besser, durch das Tragen zu diesem geadelt wird. Nein, unser Beau ist einer, der die Eleganz im Herzen trägt. Will heißen, Bryans Lebenselixier ist nicht dasselbe wie das eines Narziss. Im Gegensatz zum griechischen Jüngling geht es ihm nicht um sein Spiegelbild, sondern vielmehr darum, zu Gefallen sein zu können. Quelle différence! Sein Ziel ist es, die Eleganz der heiteren Haltung zu perfektionieren. Alors, sofort geht die Fantasie mit mir durch und ruft mir ein Zitat aus dem Film „The Counselor“ ins Gedächtnis: „Vielleicht sind Frauen fasziniert von Männern ohne Moral? Natürlich mögen Männer so etwas bei Frauen auch. Sie unterliegen aber der Illusion, sie könnten die Frauen ändern. Frauen wollen aber nichts ändern, sie wollen unterhalten werden. Die Wahrheit über Frauen ist, man darf alles mit ihnen machen, außer sie langweilen.“
Und welche, geradezu modernen, wenn auch literarische Figuren fallen mir dazu ein? Zum einen ist es Martin Suters Protagonist in seiner „von Allmen“-Krimiserie. Johann Friedrich von Allmen ist der vollkommene Dandy: Kein Geld, ungeheuer charmant, gibt das Geld anderer aus, ist irgendwie immer pleite. Liebt das gute Leben und die Frauen.
Wunderbar verkörpert werden diese Charaktereigenschaften ebenso von Larry aus der Serie „The Durrels auf Korfu“. Ein semi-erfolgreicher Schriftsteller mit vielen Frauengeschichten, ebenso ohne Geld, aber mit Stil.
Louis d’Orléans, duc de Nemours
Als ein weiteres Beispiel der vollendeten Galanterie führt Vinken den Herzog von Nemours ins Feld: „Er erfreut sich an allem und erfreut alle, ist heiter und lebhaft. Mit äußerstem Taktgefühl hilft er wie nebenbei aus der Patsche, großzügig und diskret aus jeder Verlegenheit. Er ist äußerst geistesgegenwärtig, kaum aus der Fassung zu bringen und lässt andere ihre Fassung wahren. Kurz, der Herzog von Nemours ist der angenehmste, liebenswerteste, lebhaft höflichste, ausgesucht reizendste Mann, den man sich vorstellen kann“. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine Frau gibt, die diesen Herrn nicht sofort kennenlernen möchte, inklusive meiner Person😊.
Nun, nach dem ersten sehnsuchtsvollen Seufzer schleicht sich sogleich der Gedanke in meinen Kopf, wo denn heutzutage noch ein solcher Mann zu finden sei? Unter den vielen „Leistungsträgern“ der Gesellschaft wird Frau wohl vergeblich suchen. Leistungsträger, so weiß Vinken zu berichten, „haben keinen Charme zu verschwenden, keine Minute zu verschenken, kein Lächeln zu vergeuden. Eisern verfolgen sie zielgerichtet ihr Interesse. Im Kopf haben sie Zahlen, keine Bonmots, keine reizenden Aufmerksamkeiten“. Wie schade, denn, ist es nicht gerade dieses Spiel zwischen Mann und Frau, dass den Alltag versüßt, die Sorgen vergessen lässt, kurzum: das Leben miteinander lebenswert macht? Stimmt es, dass „charmantes Umwerben“ ausgestorben ist, weil es Zeit und vielleicht auch Geld kostet? Folgt man den Erkenntnissen aus Robert Waldingers und Marc Schulz‘ Studie „The Good Life“, dann ist das ziemlich kurz gedacht. Denn sich glücklich zu fühlen und gesund zu sein, ist nicht unbedingt eine Frage des Geldes oder des Ruhms. Beziehungen, das Mitmenschliche, das Sich-eingebunden-Fühlen sind die ausschlaggebenden Kriterien.
Der Unwille, sich je vorzustellen, was eigentlich mit dem anderen ist
Im gegenwärtigen Miteinander, so scheint es mir, ist Eleganz im Sinne einer zugewandten Haltung dem anderen gegenüber, eine Charaktereigenschaft, die man(n) sich wohl leisten können muss. Einer, der darüber sogar ein Buch verfasst hat, ist Graf Baldessare Castiglione. In seinem Werk „Libro des cortegiano“ (Der Hofmann) aus dem 16. Jahrhundert geht es um nichts Geringeres als ein „geglücktes und beglückendes Miteinander“. Vermutlich heutzutage ein Ansinnen, das bei dem einen oder anderen befremden auslöst. Vielleicht einfach der Unwille, sich je vorzustellen, was eigentlich mit dem anderen ist?
Gerade in Beziehungen, sei es in der Liebe oder auch „nur“ in der Freundschaft, gilt doch, wie es das Psychologenpaar Ivan und Marianne Verny auf den Punkt bringt, dass Aufeinander eingehen, dem anderen zuzuhören, den anderen ernst zu nehmen, zu respektieren. Keiner möchte vom anderen belehrt werden. Warum nicht einmal den „Chavalier des dames“ geben?
Die Leichtigkeit des Seins
Mit den Begriffen „Sprezzatura“ (scheinbare Mühelosigkeit) und Disinvoltura (großzügige Nachlässigkeit) hat die italienische Sprache zwei Worte gefunden, die es sich zu eigen zu machen gilt. „Carrie Bradshaw“, die Ikone aus „Sex and the City“ verkörpert diese Geisteshaltung für mich. Auch wenn Sie nur eine Filmfigur ist. Jedoch, es muss ja einen Grund haben, dass die Serie nicht nur sehr erfolgreich im Fernsehen lief, sondern eben speziell Bradshaw zum Publikumsliebling avancierte.
Und will man elegant sein, so lässt uns Vinken wissen, dann sollte man den anderen nicht in seine Grenzen weisen, die Größe haben, das Gegenüber souverän sein zu lassen, sich nicht zu verdinglichen und zu benutzen. Ihr Rat: „Geben Sie dem anderen Raum“. Echte Eleganz dreht sich eben nicht um Äußerlichkeiten, sondern ist eine Haltung der Freundlichkeit.