Von Barock, Fachwerk und Kultur am Weser-Radweg
Die erste, längere Radtour des Jahres ist immer etwas Besonderes: da ist zum einen die frühlingsfrische Luft, die uns um die Nase weht. Zum anderen sind es die Frühjahrsblüher und das erste zarte Grün, das das Auge erfreut. Das Gefühl von Freiheit, die ersten richtig warmen Sonnenstrahlen im Gesicht und einfach nur das Leben genießen, wie es so vor sich hinfließt, identisch dem Fluss neben uns, namentlich die Weser. Das Gefühl, so finde ich, ist unschlagbar. Deshalb mein Appell: Lasst die Nachrichten, Nachrichten sein. Klinkt euch gedanklich aus dem Alltag aus, schwingt euch auf’s Rad und los geht’s entlang am Weser-Radweg.
Erster Tag: Zwischen Holzminden und Bad Karlshafen
Am ersten Tag geht es zunächst mit dem Auto und den Rädern im Gepäck zu unserer gemütlichen Unterkunft in Silberborn, dem Landhaus Sollingshöhe. Ich werfe einen Blick auf die Speisekarte, wir haben nämlich die Halbpension gebucht. Ich traue meinen Augen nicht, die haben glatt meine Leibspeise auf dem Plan: Knödel mit Pilzsauce. Der Tag fängt ja mal richtig gut an.
Nachdem wir eingeckeckt haben, geht es mit dem Auto nach Holzminden. Von hier aus wollen wir mit den Rädern Richtung Hannoversch Münden starten. Noch ist es recht kühl auf den Drahteseln, aber bereits nach den ersten Kilometern reißen wir uns die dicken Klamotten vom Laib, das wird ein richtig schöner Frühlingstag. Und da lockt auch bereits das erste Highlight: wir erreichen das UNESCO-Welterbe Kloster Corvey.
Das Kloster Corvey
Hier legen wir unseren ersten Stopp ein. Vor den Toren Höxters liegt das ehemalige Benediktinerkloster Corvey. Leider ist die Klosterkirche, das eigentliche Highlight, heute geschlossen. Das ist schade, aber so bleibt uns mehr Zeit auf dem Rad. Nach einem Rundgang über das Gelände geht es deshalb auch gleich weiter Richtung Höxter. Mittlerweile haben wir Niedersachsen verlassen und sind in Nordrhein-Westfalen angekommen. Die Fachwerkstadt Höxter ist an diesem Sonnabend leider so voll, dass wir uns zur Weiterfahrt entschließen. Wir möchten eine erste Kaffeepause einlegen, am liebsten direkt am Wasser und in aller Gemütlichkeit.
Am schönen Port von Bad Karlshafen
Kur vor Beverungen verlassen wir den Weser-Radweg. Wir haben das Hinweisschild zum Landhotel Weserblick mit Terrasse entdeckt. Es geht steil den Berg hinauf, dann sind wir da. Der Außenbereich wikt einladend, gibt aber nicht direkt den Blick auf die Weser frei. Egal, hier kehren wir für eine Pause ein. Pommes Frites und ein Radler stehen auf dem Programm. Hier genießen wir ein erstes, ausgiebiges Sonnenbad bevor es weiter nach Beverungen geht. Wir sind wieder an der Weser und radeln bis zur Barockstadt Bad Karlshfen. Hier lassen wir uns einen Moment von der Atmosphäre am Hafen gefangen nehmen. Dem Landgraf zu Hessen-Kassel haben wir diesen fast mediterranen Anblick zu verdanken. Plantanen sorgen für eine gefühlte Südfrankreich-Stimmung. Einst als Handels-, Manfaktur- und Industriestadt gegründet hat sich der Ort um 1730 durch die Entdeckung von Sohequellen zu einem Kurort entwickelt.
Yachthafen Dreiländereck
In Bad Karlshafen nehmen wir die Brücke über die Weser und erreichen den Yachthafen Dreiländereck. Sind wir heute Morgen in Niedersachsen gestartet, so waren wir bei Höxter in Nordrhein-Westfalen, haben in Bad Karlshafen hessischen Boden betreten und sind nun zurück in Niedersachsen. What a journey! Diese Erfahrung wollen wir bei einem weiteren Getränk und diesmal direkt an der Weser auf uns wirken lassen. Vorbei am Wilhelm-Raabe-Wanderweg steuern wir auf das Gasthaus Eulenkrug zu. Den schönen Außenbereich hatten wir nämlich bereits von der anderen Uferseite auf dem Hinweg gesehen.
Im Eulenglück
Am Außengelände des Eulenkrugs fällt uns zunächst ein Esel auf. Das als störrisch bekannte Tier zieht unsere Aufmerksamkeit durch seine Zutraulichkeit aufk sich. Das eingezäunte Gelände auf dem sich das Grautier befindet grenzt relativ nah an einen der Gästetische. Logisch, dass der Esel immer mal wieder begehrlich auf die Teller schielt.
Wir ergattern ebenfalls einen Tisch, wieder in der Sonne aber diesmal auch mit Blick auf das Wasser. Ach herrlich. Da gönne ich mir zur Feier des Tages doch glatt mal einen Aperol Spritz. Ausgestreckt auf der Holzbank schließe ich für einen Moment meine Augen, lasse mich ganz auf den Augenblick ein und atme tief durch. Einfach schön! Leider drängt die Zeit etwas, da es bald dunkel wird und wir ja noch nach Holzminden zurück müssen. Also, schnell wieder auf den Drahtesel geschwungen und gib ihm. Wir fahren jetzt doch ein ganzes Stück oberhalb der Weser was durchaus in die Beine geht.
Sowohl mit letzter Kraft als auch mit dem letzten Abendlicht erreichen wir das Auto. Geschwind geht es zurück bergauf nach Silberborn, wo uns in unserer Unterkunft bereits ein vorzügliches Drei-Gänge-Menü erwartet. Der krönende Abschluss eines gelungenen Tages.
Zweiter Tag: Zwischen Polle und Bodenwerder
Der zweite Tag beginnt so, wie der erste geendet hat, mir strahlendem Sonnenschein! Da fällt das Aufstehen gleich viel leichter, besonders weil ein gutes Frühstück lockt. Während wir es uns gut gehen lassen zieht sich der Himmel etwas zu. Kein Problem, kurzerhand ändern wir unseren Plan und fahren zunächst nach Fürstenberg und besuchen die gleichnamige Porzellanfabrik.
Begeistert bewegen wir uns zwischen den hochwertigen Kaffee- und Essservicen. Da gehen schnell mal zwei Stunden vorbei und schon scheint die Sonne wieder. Also auf zum Ufer der Weser und hinein ins nächste Flussabenteuer. Diesmal starten wir in Polle. Die Idee dahinter ist eigentlich, dass uns die Fähre von hier über die Weser nach Bevern bringen soll. Tja, leider fährt die Fähre aber erst wieder ab dem 1. April. Und nun? Schnell fragen wir zwei ortskundige Herrschaften danach, wie wir jetzt nach Bodenwerder kommen. Daraufhin ziehen beide die Stirn in Falten und erklären uns, dass die Straße nach Bodenwerder gesperrt sei und wir über den Berg fahren müssten, was schon sehr anstrengend sei. Wir fragen nach, was die beiden unter „anstrengend“ verstehen. Ein dritter Herr erzählt uns, dass ungefähr 250 HM zu überwinden wären. Kriegen wir hin.
Hoch über der Rühler Schweiz
Von Polle geht es zunächst nach Bevörde. Das ist noch einfach. Wir radeln weiter bis Grave, dann wird es anstrengend. Hinter dem Ortsausgang geht es linker Hand recht steil hoch in das Bergland. Wir fahren Richtung Ottenstein und dann rechts ab über den Mühlenberg, vorbei an der alten Steinmühle und dem Senator-Meyer-Denkmal bis nach Rühle.
Zu Besuch bei Baron von Münchhausen
Von Rühle aus kommen wir wieder auf den Weser-Radweg und fahren bis nach Bodenwerder. Gleich am Ortsrand begegnen wir einem bekannten Gesicht, dem Mann mit dem weißen Zopf auf der fliegenden Kanonenkugel. Um wen es geht? Na, Sie wissen schon, Baron von Münchhausen. Der soll hier geboren sein.
Wir schauen uns ein wenig im Ort um und dabei stoße ich auf etwas, das sehr gut zur aktuellen Ukraine-Krise passt: ein Gedenkstein der Moskauer Stiftung „Dialog der Kulturen – Gemeinsame Welt“. Klingt mittlerweile und angesichts der schrecklichen Geschehnisse in der Ukraine wie Hohn. Hier scheint der Dialog der Kulturen definitiv gescheitert zu sein. Und doch scheint die geschenkte Skulptur zu mahnen, dass es auch anders geht. Direkt an der Weser lassen wir uns in einem der Cafés nieder. Nach einer ausgiebigen Pause geht es weiter in Richtung Hehlen. Hier wollen wir die Brücke über die Weser nutzen, um auf der anderen Uferseite zurückzuradeln.
Retour am Schloss Hehlen
In Hehlen entdecken wir das gleichnamige Schloss. Das wirklich schöne Gelände mit einem weitläufigen Park scheint in privater Hand zu sein. Dem „Normalbürger“ steht die Schloss Wirtschaft zur Verfügung – mit einer herrlichen Terrasse zur Weser hin. Hier lässt es sich aushalten. Tja, leider kommen wir gerade aus der Mittagspause. Pech gehabt. Also treten wir von Hehlen den Rückweg an und radeln gemütlich über Bevern zurück nach Holzminden. In unserem Landgasthof genießen wir ein weiteres, sehr leckeres Mahl und beenden damit einen zweiten, sehr schönen Ausflug an der Weser.