Wenn unsere Victoria cruziana wieder blüht. Ein Besuch im Botanischen Garten
Same procedure as every year? Nicht ganz. Für mich ist es tatsächlich der erste Besuch bei Victoria, der Riesenseerose im Botanischen Garten von Braunschweig. „Victoria cruziana“, so ihr lateinischer Name, ist Deutschlands größte tropische Riesenseerose und damit ein Superlativ. Für sie wurde extra im Jahr 2018 ein neues Victoria-Haus gebaut. Vielleicht ist das auch mitunter der Grund, warum die zweitätige Blüte dieser Pflanze jedes Jahr so viele Besucher in das Gewächshaus auf der Humboldtstraße zieht. Und klar: Selfies mit der weißen oder rosa Blüte sind sehr beliebt.
Wann blüht sie denn?
„Wann blüht sie denn endlich“ lautet die bange Frage, die sich viel Braunschweiger und auch Touristen aus dem Umland jedes Jahr stellen. Dazu muss man wissen, dass „unsere“ Victoria nur an zwei Tagen im Jahr, genauer gesagt an zwei Abenden, überhaupt blüht. Auch das trägt zum Bekanntheitsstatus der Seerose bei. In diesem Sommer tut sie dies am 15. und 16. August. In diesen beiden Nächten wechselt sie die Farbe ihrer Blüte von weiß auf rosa. Warum ist das so?
Victoria und ihr exotischer Liebhaber
Unser Braunschweiger Prachtstück blüht in der ersten Nacht weiß und in der zweiten rosa. Aber warum ist das so? Nun, das hat tatsächlich etwas mit dem Besuch von Victorias Liebhaber zu tun. Wer ist nun dieser geheimnisvolle Gast und was hat es mit der Visite auf sich? Einfach ausgedrückt geht es um den Bestäubungsvorgang. In der ersten Nacht erwärmt die thermogenetische Pflanze ihre Knospe und entwickelt einen Duft, der dem Geruch einer Ananas ähnelt. Mit diesem Bouquet zieht sie ihren Liebhaber, also Käfer an, die sich um die Bestäubung der Pflanze kümmern. Sie kann die Käfer bis zu 24 Stunden in der Blüte gefangen halten Nach der Bestäubung öffnet sie sich in der darauffolgenden Nacht ein zweites Mal. Die rosafarbene Färbung der neuen Blüte signalisiert, dass die Bestäubung stattgefunden hat.
Gigantische Schwimmblätter
Neben der ca. 40 cm großen Blüte sind die gigantischen Schwimmblätter der Riesenrose die zweite Sehenswürdigkeit. Wie bei einem Kraken sind die Blüte und ihre Blätter über Stile miteinander verbunden. Die Blätter haben einen Durchmesser von zwei Metern, sind kreisrund und haben einen hochgestellten Rand, der nach außen hin stachlig ist. Die Stacheln dienen der Seerose als Schutz vor gefräßigen Fischen.
Faszinierend ist auch die Tatsache, dass die gigantischen Blätter ein Gewicht bis zu 35 Kilo tragen können. Das dies möglich ist, liegt an der Struktur der Blätter. Diese haben ein Stützgewebe, ein Adernetz und luftgefüllte Zwischenräume. Eine tolle Konstruktion der Natur!
Das unrühmliche Ende
Als wir Victoria am Mittwoch in ihrem Gewächshaus besuchen, erfahren wir zufällig, wie ihr unrühmliches Ende aussieht. Im Herbst wird sie einfach aus ihrem Bassin entfernt und schnöde auf den Komposthaufen geschmissen. Dann ist ihr königlicher Auftritt vorbei.
Im Februar des nächsten Jahres werden Samen zum Vorkeimen in eine Wasserschale gesetzt und warm gestellt. In einem zweiten Schritt werden die erfolgreichen Keimlinge in ein beheiztes Anzuchtbecken gestellt. Ende April wird das große Becken im Victoria-Haus mit Wasser gefüllt und auf 28 Grad aufgeheizt. In diesem Badewasser wird die kräftigste Victoria-Pflanze ausgepflanzt. Die anderen Anzüchtungen werden an Botanische Gärten abgegeben, wie das zum Beispiel in Magdeburg der Fall ist.
Ein außergewöhnlicher Besuch, der zeigt, wie faszinierend und spannend Natur ist.