Weserradweg: Von Hannoversch Münden bis Nienburg
Wir nutzen das lange Wochenende über den dritten Oktober, um auf dem Weserradweg von Hannoversch Münden nach Nienburg zu fahren. Wir legen in vier Tagen insgesamt 270 Kilometer zurück. Mit dem Wetter haben wir Glück. Obwohl Regen angesagt ist, überwiegt der Sonnenschein. Die langen Touren gehen doch ganz schön in die Beine und naja, nach ein paar Tagen tut auch der Allerwerteste weh. Jedoch, schöne Orte, idyllische Landschaften, Sehenswürdigkeiten und gutes Essen sind die Mühe (meistens) wert.
Früh auf nach Hannoversch Münden
Der Morgen fängt etwas holperig an. Wir starten mit dem Niedersachsen-Ticket von Braunschweig nach Hannoversch Münden. Gleich im ersten Zug erleben wir eine Überraschung. Der Schaffner weist uns darauf hin, dass das Niedersachsen-Ticket erst ab 9 Uhr gilt. Autsch! D.h. wir fahren ohne gültigen Fahrschein. Und jetzt? Der nette Zugbegleiter hat Mitleid und verkauft uns ein reguläres Ticket anstelle der 60 Euro Strafe. Oh Mann, das ist gerade nochmals gut gegangen. Wir erreichen unsere erste Station nach gut 1,5 Stunden. Wir stehen im Nebel und frieren. Jetzt brauchen wir erstmal einen Kaffee. Wir fahren in die Altstadt von Hannoversch Münden. Die Fachwerk-Ensemble der Innenstadt begeistert uns. Langsam kommt die Sonne heraus und wärmt unsere Gesichter. Der Kaffee tut sein übriges. Nach und nach stellen sich die Lebensgeister wieder ein – jetzt sind wir bereit für die erste Etappe.
Wo Werra und Fulda sich küssen
Wir nehmen die wunderschöne Holzbrücke über die Werra und statten dem Weserstein einen Besuch ab. Hier, wo sich Werra und Fulda küssen, setzen wir unseren offiziellen Startpunkt für die Weserradtour. Wir nehmen die erste Etappe in Angriff. Unser Ziel ist der Landgasthof Hoffmeister in Hehlen. Ein Stück des Weges wollen wir mit dem Zug fahren, da wir die Strecke von Holzminden nach Höxter bereits in diesem Frühjahr entlang geradelt sind.
Nach über 90 Kilometern auf dem Fahrrad und einem wirklich schmerzenden Hinterteil erreichen wir unsere Unterkunft, das Landgasthaus Hoffmeister. Unnötig zu erwähnen, dass wir sehr hungrig sind. Wir beziehen unser funktionales Zimmer und begeben uns nach einer Dusche direkt in den Gastraum. Dieser ist bereits gut gefüllt mit lokalem Publikum, das es sich gut gehen lässt. Auch wir bestellen schnell und fiebern dem Essen entgegen. Die Küche ist gutbürgerlich. Für uns an diesem Abend genau das richtige.
Am nächsten Morgen zieht ein Regengebiet durch. Deshalb lassen wir uns – beim nicht gerade üppigen – Frühstück sehr viel Zeit. Gegen 11 Uhr wird der Niederschlag schwächer. Wir verabschieden uns von der freundlichen Wirtin und schwingen uns wieder auf die Räder. Wir radeln im leichten Nieselregen nach Hameln. Nach und nach reißt der Himmel aber auf und die Sonne lacht uns wieder an.
Der Rattenfänger von Hameln
In Hameln legen wir einen ersten Stopp ein. Die Innenstadt scheint leider ein touristisches Highlight zu sein. Mit dem Rad ist es recht schwer durchzukommen. Die von Fachwerk- und Weserrenaissancehäusern geprägte Innenstadt ist halt ein Besuchermagnet. Mittlerweile hat die Sonne ihre ganze Strahlkraft entfaltet und leuchtet die Altstadt wunderschön aus. Wir genießen die Atmosphäre, entscheiden uns dann aber dafür recht zügig weiterzufahren. Es ist einfach zu voll. Nach wenigen Kilometern hat der Radweg einen weiteren Höhepunkt für uns im Angebot: die Stiftskirche St. Johannis in Fischbeck. Der Bau ist eine echte Entdeckung. Sowohl das Kircheninnere als auch der wunderschöne Kreuzgang überraschen uns. Allerdings kommen Wind und ein paar graue Wolken auf. Es wird doch nicht regnen? Noch hält sich das Wetter, für den späteren Nachmittag ist allerdings ein Gewitter angesagt.
Wir nehmen Kurs auf Rinteln, hier wollen wir uns einen Stopp gönnen. Leider kommt es anders. Der Himmel wird immer schwarz und schwärzer. Der Wind nimmt zu, das Gewitter ist über uns. Wir haben richtig, richtig Glück, dass wir gerade noch rechtzeitig eine Bushaltestelle erreichen. Es schüttet wie aus Eimern, zudem ist der Wind so stark, dass über uns die Kastanien aus den Bäumen geschüttelt werden und auf das Dach der Haltestelle krachen. Nach einer guten halben Stunde ist die ganze Show vorbei. Die verlorene Zeit können wir aber nicht mehr aufholen. Der Abstecher nach Rinteln wird nur ein Kurzbesuch. Als wir zudem mit der Tatsache konfrontiert werden, dass es zu unserem Nachtlager noch ganze 35 Kilometer sind, klappt mir doch kurzfristig die Kinnlade herunter. Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet und ich habe jetzt schon Pudding in den Beinen. Zudem wir es langsam dunkel.
Ein Bier zur Begrüßung
Es hilft ja alles nichts, wir müssen weiter. Schließlich haben wir heute morgen noch buchstäblich das letzte Doppelzimmer der Stadt buchen können. Aber es kommt noch schlimmer. Wir sind fast schon auf der Zielgeraden als Holger einen platten Reifen hat. Auch das noch. Müde und doch langsam angenervt kommen wir in Bad Oeyenhausen an. Ich will nur noch eins: duschen und meine Ruhe haben. Es ist schon kurz vor 20 Uhr als uns der nette Hotelbesitzer vom Stickdorn in Empfang nimmt. Mit zwei Bieren kommt er auf uns zu. Eine wirklich nette Geste, als er allerdings mein müdes Gesicht sieht ahnt er bereits, dass ich nur auf’s Zimmer will.
Nach der Dusche fühle ich mich etwas besser. Der Hotelbesitzer hat uns das Ristorante Paradiso empfohlen. Zum Glück liegt es gleich um die Ecke. Der Laden ist gut gefüllt, hat aber noch ein Plätzchen für uns. Ich bestelle mir das Wolfsbarschfilet und dazu ein gutes Glas Wein. Das Essen ist ein Gedicht und rettet den Abend. Todmüde aber zufrieden fallen wir ins Bett. Am nächsten Morgen genießen wir das leckere und sehr abwechslungsreiche Frühstück im Stickdorn. So gut gestärkt werfen wir zunächst noch einen Blick in den Kurpark von Bad Oeyenhausen bevor wir Richtung Petershagen aufbrechen.
Auf der Höhe von Porta Westfalica passieren wir das monumentale Kaiser-Wilhelm-Denkmal, das hoch über der Weser thront. Ein sicherlich allein durch seine Größe beeindruckendes Monument, das ich bereits mehrfach vom Zug aus gesehen habe. Uns zieht es aber weiter nach Minden. Wir wollen zur Schiffsmühle und in der gleichnamigen Gastronomie ein Getränk zu uns nehmen. Wieder haben wir großes Glück. Keine fünf Minuten nach unserer Einkehr prasselt ein heftiger Schauer auf Minden nieder. Danach kommt gleich wieder die Sonne heraus und heizt die Atmosphäre erneut auf. Wir nutzen die kurze Trockenperiode, um die Rekonstruktion einer Korn mahlenden Schiffmühle zu besichtigen. Und wer hat’s erfunden? Klar, die Römer. Die mussten nach einem Überfall und der Zerstörung ihrer Mühlen nämlich schauen, wie und wo sie künftig ihr Mehl herbekommen. Ja, die Römer waren schon clever. Als wir Richtung Altstadt aufbrechen, geht nochmals ein Schauer hernieder. Wieder können wir uns unterstellen. Neben dem Regen haben wir mit zwei weiteren platten Reifen zu kämpfen. Das Flicken kostet leider wieder Zeit.
Kurz hinter Petershagen beziehen wir Quartier im Ferienhof Meyer. Erneute hatten wir Mühe, eine Unterkunft zu bekommen. Im Landgasthof war noch etwas frei. Allerdings gibt es hier kein Abendessen. Zudem gibt es in Ovenstädt auch kein Restaurant oder Gasthof. Wir hätten uns lediglich etwas bestellen können oder wieder nach Petershagen zurückfahren müssen. Schließlich leben wir von selbst geschmierten Broten und schauen Tatort im Fernsehen. Die Unterkunft richtet sich definitiv an Familien und ist auch für Vegetarier eher uninteressant.
Durch Rußland zum Scheunenviertel
Am nächsten Morgen brechen wir zu unserer letzten Etappe auf. Bevor es losgeht gönnen wir uns einen Abstecher zum nahgelegenen Industriemuseum Glashütte Gernheim. Mit ganz vielen neuen Eindrücken und Informationen fahren wir weiter. Doch plötzlich stutzen wir. Da behauptet ein Schild am Straßenrand doch, dass wir in Rußland seien. Nanu, denke ich, können wir uns denn dermaßen verfahren haben:-) Nach dem kleinen Umweg, erreichen wir das Scheunenviertel in Schlüsselburg. Noch heute existieren hier 26 Scheunen, die sehr eng beieinander stehen.
Der Mühlenplatz in Parsau
Bevor wir uns langsam aber sicher auf den Heimweg machen, statten wir noch dem Mühlenplatz in Parsau einen Besuch ab. Der dortigen Bockwindmühle machen wir unsere Aufwartung und radeln anschließend nach Stolzenau weiter, zum Tischlein deck dich. Der Streckenverlauf ist jetzt nicht mehr so besonders interessant, so dass wir uns nach einer Kaffeepause dazu entschließen, nach Nienburg zu fahren, um dort den Zug zurück nach Braunschweig zu nehmen.