Damals war es Friedrich…
Damals waren es die Juden. Heute sind es dort die Schwarzen, hier die Studenten. Morgen werden es vielleicht die Weißen, die Christen oder die Beamten sein.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass mich in der Schule die Lektüre des Buches „Damals war es Friedrich“ sehr berührt hat. Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie schnell es geschehen kann, dass eine Einzelne oder eine Gruppe aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Wie leicht es ist, Menschen gegen „Andersdenkende oder -handelnde“ aufzubringen und wie blind den Worten manchem Politikers gefolgt wird. Beispiele für diesen Wahnsinn finden sich in der Weltgeschichte reichlich. Ob es die versuchte Judenvernichtung im Dritten Reich ist, die ethnischen Säuberungen im Jugoslavien-Krieg oder in Ruanda oder der Bürgerkrieg im Libanon. Diese Liste ließe sich beliebig hier fortsetzen.
Heißt es nicht immer, dass man aus der Geschichte lernen sollte? Wenn dem so ist, dann frage ich mich, wo dieser Lernprozess dieser Tage in der deutschen Gesellschaft stattfindet. Vermehrt geht es inden den Medien und auf politischen Parteitagen gegen nicht integrierbare Zuwanderer, die sich zunehmend auf eine religiöse Bevölkerungsgruppe reduzieren lassen: Muslime. Wie formulierte es die Kanzlerin: „Multikulti ist gescheitert.“ Ist das wirklich alles, was die Union sinkenden Wählerzahlen entgegen zu setzen hat? Kann es nur über die Stigmatisierung einer Gruppe, die sich schlecht wehren kann, weil den Negativbeispielen sehr viel und den Positivbeispielen kein öffentlicher Raum zugestanden wird, gelingen, Stimmen zurück zu gewinnen?
Die Entwicklung stimmt mich zunehmend bedenklich. Vor allen Dingen fehlt es an Differenzierung in der Darstellung, am Eingeständnis der eigenen Fehler durch die politische Führung des Landes und den Mut, die Schuld nicht dem vermeintlich schwächeren zuzuschieben. Wir leben in einem Land, in dem Stromversorgungs-Kartelle auf Kosten der Konsumenten unbehelligt 24 Mrd. Euro Gewinn einstreichen können (wohlgemerkt: im Vorjahr waren es „nur“ 5,9 Mrd. Euro) und kein Politiker mit der Wimper zuckt. Wenn aber ein Oberst der Bundeswehr ein erwiesernermaßen falschen Befehl gibt und damit zahlreiche Menschenleben auslöscht, dann ist das nicht einmal eine Entschuldigung wert? Sind das nicht auch Familien, die einfach auseinandergerissen werden, egal, ob es Christen, Hindus, Juden oder Muslime sind? Damals war es Friedrich … sind es heute die Muslime?
Zum Weiterlesen:
- Quantara.de: „Victims of Corruption and Enemy Stereotypes“
- Qantara.de: „Compulsory Reading for Germany’s Guardians of the Constitution“
- Spiegel Online: „Falsche Kameradschaft mit Oberst Klein“
- Stewart, Ron: Der Spiegel, 26/2010: „Mission Impossible: Obama, die Nato und der Westen sind Gefangene einer falschen Theorie“.