Alles für die Kunst? Frauenschicksale in Braunschweig
Die wechselhafte Geschichte von vier Braunschweiger Künstlerinnen steht an diesem Sonnabend im Mittelpunkt. Der Arbeitskreis Andere Geschichte hat wieder zu einem seiner Spaziergänge eingeladen. Diesmal geht es um das Schicksal von Schauspielerinnen und Schriftstellerinnen, deren Beruf lange Zeit als anrüchig galt. Im Blickpunkt stehen Caroline Neuber, Ingeborg Riehl, Caroline Auguste Fischer und Ina Seidel. Seinerzeit sprach zwar noch niemand von einer Me-too-Kampagne, die Probleme der Damen standen den heutigen Zuständen jedoch in nichts nach.
Staatstheater Braunschweig
Der Spaziergang beginnt am Brunnen vor dem Staatstheater. Wir erleben einen herrlichen Herbsttag. Die Sonne hat sich im Laufe des Tages durch die Wolken gekämpft und wärmt unsere Gesichter und Glieder. Pünktlich um 15 Uhr geht es los: Sabine Ahrens und Lena Kreie führen an diesem Nachmittag durch das Programm und das hat einiges zu bieten. Zunächst geht es um die Geschichte des Braunschweiger Staatstheaters. Und hier wartet bereits ein Superlativ auf uns: Das heutige Staatstheater ist das älteste öffentliche Mehrspartentheater Deutschlands. Die Anfänge als Hoftheater reichen bis ins Jahr 1690 zurück. Uraufgeführt wurden hier Emilia Galotti (1772) und Goehte’s Faust (1829). Das Braunschweiger Theater ist heute ein sogenanntes Vierspartenhaus und bietet somit neben Schauspiel auch Ballett, Oper und Sprechtheater.
Friederike Caroline Neuber
Vom Staatstheater gehen wir in den Museumspark. Hier erweckt zunächst eine wunderschöne Edelkastanie meine Aufmerksamkeit. Die Blätter leuchten in der Nachmittagssonne, einige der stacheligen Fruchtbecher sind bereits aufgeplatzt und lassen das Braun der Kastanienfrüchte hervorblitzen. Alles zusammen ergibt ein herrliches Farbenensemble. Kurz bin ich vom Stadtspaziergang abgelenkt, dann lausche ich aber den Erzählungen über Friederike Caroline Neuber, der ersten Schauspielerinnenbiografie des Tages. Und diese Lebensgeschichte hatte es gleich in sich. Nicht nur, dass Friederike das Theater vom Hanswurst befreite, nein es sind besonders die zahlreichen Unglücke und Todesfälle, die Neubers Leben immer wieder begleiten, die die Zuhörer in ihren Bann ziehen.
Ingeborg Riehl
Die zweite Biografie des Tages beschäftigt sich mit Ingeborg Riehl, die 1918 in Essen geboren wurde. Kurz nach dem Krieg kam sie mit ihrem Mann Hans Caninenberg nach Braunschweig. Von dem Zerstörungsgrad der Stadt sei sie so negativ überrascht gewesen, dass sie am liebsten wieder abgereist wäre. Tatsächlich ist sie der Löwenstadt aber bis zum Ende ihres Lebens treu geblieben und gehörte dem Braunschweiger Ensemble über 60 Jahre an.
Caroline Auguste Fischer
Wir wechseln nochmals den Standort und begeben uns zum Herzogin-Anna-Amalia-Platz. Jetzt steht die Geschiche von Caroline Auguste Fischer im Mittelpunkt. Auch diese Damen hatte nicht besonders viel Glück in ihrem Leben. Immer wieder von Geldsorgen geplagt wurde sie zudem schuldig vom Dänen Christoph Johann Rudolph Christiani geschieden und musste diesem ihren Sohn überlassen, den sie danach nie wiedersah. Auch ihre zweite Ehe mit dem Schriftsteller Christian August Fischer wurde geschieden. Diesmal nahm aber ihr Ehemann die schuld auf sich, so dass sie ihren Sohn behalten durfte. Eine weitere Verbindung war dadurch geprägt, dass sich ihr Partner von Caroline „versorgen“ ließ.
Ina Seidel
Eine letzte Station machen wir am Löwenwall, direkt an der Oker und schauen von dort auf das ehemalige Wohnhaus der umstrittenen Künstlerin Ina Seidel. Seidel ist während der Nazizeit in Verruf geraten als sie sich positiv über das Regime äußerte. Zwar soll sie ihr Verhalten im Nachhinein bereut haben, aber das Stigma hängt ihr an. Trotzdem wurde in Braunschweig ein Mädchengymnasium nach ihr benannt, das mittlerweile aber nicht mehr existiert und in eine Berufsschule umgewandelt wurde.