Buskers Braunschweig 2023: Kinder sind die heimlichen Stars
Im letzten Jahr wurde ich angefixt vom Straßenmusikfestival „Buskers„. Noch heute erinnere mich gerne an die sechs Franzosen aus 2022, die mir so viel Spaß gemacht haben. Auch in diesem Jahr wird wieder ein abwechslungsreiches Programm aus Kleinkunst und Musik geboten. Diesmal steige ich bereits am Freitag ein mit Cirque Tango aus Argentinien und Floor LegendZ & Olga Show aus Stuttgart. Und es gibt noch ein paar Stars am Rand der Bühnen, die nicht angekündigt sind: Die vielen Kinder, die begeistert den Darbietungen der Kleinkünstler folgen und diese auf der Bühne unterstützen, wann immer darum gebeten wird.
Schwingende Schwerter und fliegende Fäuste
Maren und ich haben uns einen Plan aufgestellt, jede Stunde erwartet uns ein neues Highlight. Um 14 Uhr geht es los auf dem Schlossplatz mit Jonglina aus Österreich. Obwohl das Wetter an diesem Sonnabendmittag nicht besser sein könnte, hat es die Künstlerin zunächst nicht leicht, ein Publikum anzuziehen. Das liegt keineswegs an ihrer Show. Aber noch sind die Leute mit anderen Dingen beschäftigt. Zum Glück sind aber die treuesten Fans bereits vor Ort: eine stattliche Anzahl an Kindern, die mit großen Augen, einem Lächeln und einem Stück Pizza auf dem Boden sitzend auf die Show warten. Jonglina wirft die ersten Bälle und Keulen in die Luft, die sie virtuos wieder auffängt. Langsam füllt sich der Platz, während die Künstlerin nun Diabolo spielt und das Publikum auf den Höhepunkt der Vorstellung vorbereitet: das Jonglieren auf dem Einrad. Und hierfür benötigt die junge Frau aus Österreich Unterstützung. Ein kleines Mädchen aus dem Publikum ist sofort dabei und betritt unerschrocken die Bühne. Sie soll Jonglina die Schwerter reichen, während die Künstlerin auf dem Einrad sitzt.
Die Kleine ist ein wirkliches Showtalent und agiert, als ob sie nie etwas anderes getan hätte. Mit ungerührter Miene reicht sich der Künstlerin ein Schwert nach dem anderen und bleibt auch während der riskanten Aktion völlig unbeeindruckt in der „Manege“. Chapeau!
Unser nächster Act performed am Ringerbrunnen und kommt aus Italien: Katastrofa Clown. Wir fragen uns noch, welche Katastrophen uns der Mann servieren wird, da legt er auch schon los. Der dunkel-gelockte Künstler markiert zunächst mit Kreide einen großen Kreis, seine Manage. Dieser Bereich, so gibt er zu verstehen, solle aus Sicherheitsgründen nicht betreten werden. Katastrofa Clown zeigt ein paar Zauberkunststücke, zwischendurch schickt er immer wieder einen großen Schwall bunter Seifenblasen in den blauen Himmel. An dieser Stelle sind die ersten Kinder nicht mehr zu halten und versuchen die hohle Kugel aus Seifenwasser zu greifen.
Auf ein Zuschauerpaar hat sich der Künstler eingeschossen. Sehr zum Amüsement der Zuschauer macht er dem Mann immer wieder schöne Augen, setzt sich zwischen das Paar und umarmt seinen Angebeteten. Dann wird es ernst: der Italiener holt zwei Männer und zwei Frauen auf die Bühne und natürlich seinen Liebling auf dem Publikum. Während die beiden Männer mit Klebeband umwickelt werden, so dass ein Boxring entsteht, wird eine der Frauen als Nummerngirl eingestellt, die andere darf Wasser reichen. Ein doch sehr renitentes Mädchen im rosa Outfit läuft immer wieder in die „Manege“, obwohl Katastrofa Clown bereits mit einer Wasserspritze versucht hat, das Kind loszuwerden. Auch die Eltern scheint das nicht zu stören. Antiautoritäre Erziehung?
Rocky und Fleischmütze im Clinch
Dann wird es ernst. „Sexy“, wie der Clown sein Nummerngirl nennt, zeigt die erste Runde an. Sehr zur Belustigung der Menge geht der Italiener doch recht schnell in die Knie. Die zweite Runde beginnt und auch hier kann der Künstler nicht punkten. Am Ende setzt er sich eine Kussmaske auf und herzt seinen Freund aus dem Publikum nochmals auf das Erdrückendste. Völlig gerechtfertigt erhält nicht nur der Clown sondern auch sein kahlköpfiges Pendant aus dem Publikum einen tosenden Applaus.
Für uns geht es weiter zum Burgplatz: dort wollen wir El Goma aus Argentinien sehen. Als der Künstler den Platz betritt schaut er sich erst einmal nach der Stelle um. Wir haben bereits ein Weilchen gestanden und würde uns gerne setzen. Als wir sehen, dass eine der Banken vor dem Dom frei wird, stürmen wir hin. Zu spät, El Goma hat uns erspäht und legt sich auf die Bank. Wir schauen etwas irritiert und warten. Als er aufsteht setzen wir uns. Nun ist el Goma irritiert. Aus unserem Blickfeld verschwunden, macht er seine Späße – auf unseren Kosten, wie wir nach einer Weile merken. Er luckt nämlich die ganze Zeit um die Ecke zu uns. Erst als wir dasselbe tun, bemerken wir es.
Der 5 Euro-Trick
Auch bei diesem Auftritt braucht der Künstler Unterstützung aus dem Publikum. Und wer macht mit? Richtig, wieder ist es ein kleines Mädchen, dass dem Künstler fast die Show stiehlt. Nach ihrem Kurzauftritt soll die Kleine eigentlich wieder die „Manege“ verlassen. Dem Fräulein gefällt die Aufmerksamkeit aber so gut, dass El Goma seine Mühe hat, um sie wieder loszuwerden. Schon leicht verzweifelt drückt er ihr schließlich fünf Euro in die Hand. Das funktioniert. Die Kleine schiebt mit einem triumphierenden Lächeln ab.
Zwischen Trance und Romantik
Langsam, aber sicher beginnt der Endspurt. Eigentlich wollten wir uns die Braunschweiger Band „Achtgroschenbande“ am Ritterbrunnen ansehen. Gerade noch stehen die Jungs vor uns und lassen den Ouzo kreisen, dann geht es auch schon los. Wir lauschen den ersten Tönen und beschließen weiterzuziehen. Sorry, aber die Stimme des beleibten Sängers ist so dünn, das bei uns vom Text nichts ankommt. Wir ziehen weiter Richtung Sack und gönnen uns ein Pause im Thalia-Café. Eine ziemlich gute Entscheidung, denn von hier aus können wir ganz gemütlich den Trouble auf der Straße beobachten. Level Spaces aus Berlin heizen gerade dem Publikum ein – es wird geschunkelt und getanzt, was das Zeug hält.
Leider tritt der nächste Act, Schwertschlucker Murry Mullay nicht auf. Darum ziehen wir weiter zur Kleinen Burg und treffen auf die Compagnia Bergheré aus Italien. Die beiden stellen ihr Programm „Rendez-vous“ vor. Wieder wird jongliert. So richtig kommt die Show aber nicht in Fahrt. Von der letzten Performance dieses Nachmittags versprechen wir uns mehr. Die beiden Feuerartisten „Pyrovaghi„, auch aus Italien, wärmen sich auf dem Schlossplatz auf. Wieder ziehen die Artisten einen großen Kreis um sich. Der wird auch benötigt, denn der Auftritt mit den Flammen ist gefährlich.
Bevor es losgeht, erklärt Marilù Nardelli worum es in dem Programm „Back To Life duepuntozero“ geht. Eine Frau befreit sich aus den Fesseln einer gewalttätigen Beziehung und findet über eine neue Liebe zurück ins Leben. Und ja, zum Schluss siegt die Liebe, wie ein brennendes Herz auf dem Asphalt beweist.
Feurige Rhythmen und anmutige Eleganz
Zwei Tage Festival gehen doch schon ganz schön in die Beine. Trotzdem möchte ich auch am dritten Tag mit zwei Freunden dabei sein. Mit fehlt noch die Flamenco-Show aus Katalonien. Das Wetter spielt wieder mit, auch wenn es nicht mehr so sonnig und warm, wie an den beiden Tagen zuvor ist. Vor dem Ritterbrunnen hat sich bereits eine beachtliche Zuschauerzahl versammelt. Noch spielen „Blechsalat“ aus Österreich. Die vier Jungs aus der Nachbarrepulik sorgen mit einem Medley aus bekannten Hits für ordentlich Stimmung. Wieder wird ein Mädchen aus dem Publikum auf die Bühne geholt und fühlt sich dort pudelwohl.
Wir aber warten auf den Auftritt von Sarsalé Flamenco aus Katalonien. Drei Herren und eine Frau betreten die Bühne. Einer trommelt, einer singt, einer spielt Gitarre, die Dame tanzt, was sonst. Besonders spannend wird es, als die Künstlerin das Publikum zum Mitmachen auffordert und den Takt vorgibt. Da wird schnell deutlich, wie anspruchsvoll die Schrittfolgen und der schnelle Rhythmus des Flamenco-Tanzes eigentlich sind. Auf der Bühne sieht immer alles so leicht aus, aber wenn man es nachmachen will … Viele der Künstler machen immer wieder darauf aufmerksam, wie viele Stunden der Vorbereitung und des Trainings in den halbstündigen Auftritten stecken. Respekt!
Nur ein Stückchen weiter tritt nochmals die argentinische Künstlerin, Laura Del Mar ihr Name, als Vertreterin des Künstler-Duos „Cirque Tango“ auf. Ihr verletzter Partner umkreist die Show mit Gipsbein und Stock, um Filmaufnahmen zu machen. Ich finde es großartig, dass sie trotzdem auftritt. Von der Waghalsigkeit und Eleganz ihrer akrobatischen Vorführung war ich bereits am Freitag begeistert. Del Mar hat einen biegsamen Körper wie ein Gummiband und strahlt Anmut aus. Es ist einfach schön, der Künstlerin bei ihrem Auftritt mit den Augen zu folgen. Viel zu schnell geht die fantastische und faszinierende Show vorbei. Völlig zurecht, wird „Cirque Tango“ am Sonntagabend vom Publikum zur besten Kleinkunstshow unter allen Künstlern gewählt.
Argentinisches Lebensgefühl in Superman-Kostümen
Nach dem Liveact schlendern wir zur Hauptbühne am Platz der Deutschen Einheit. Hier spielt gerade die ebenfalls aus Argentinien stammende Band „Super Cumbia y la Liga de la Alegría“. Allein durch ihre Bühnenkostüme verbreiten die Damen und Herren bereits gute Laune. Immer wieder versucht der Sänger der Band, das Publikum zum Mitsingen zu animieren. Drei Worte ruft er in die Menge „bueno“ (gut), „bonito“(schön), „barato“ (billig). Mit dem Mitsingen will es nicht ganz so klappen, die Stimmung auf dem Platz ist aber sehr gut. Auch diese Band erhält am Sonntagabend einen Zuschauerpreis.
Wir wollen weiter zur „Neuen Straße“. Hier erwarten wir eigentlich den Künstler „Mr. Copini“, der aber leider nicht erscheint. Schade, vielleicht ist er krank geworden. Wir gehen zurück zum Kohlmarkt und lassen uns in einem Café nieder. Nebenbei lauschen wir noch den Klängen von „Daiana Lou“ und später von „Level Spaces“, ebenfalls zwei Gewinnern eines Zuschauerpreises.
Das war ein langes und recht anstrengendes Wochenende. Mir hat es aber sehr viel Spaß und Freude gemacht. Ich bin schon gespannt, welche Künstlerinnen und Künstler im nächsten Jahr auftreten werden. Eine mitreißende Veranstaltung. Von der Art können wir hier in Braunschweig mehr gebrauchen.