Den bösen „Fremden“ konstruieren
Während der Vorbereitungen für meine Doktorarbeit über Diskurse und interkulturelle Bildung stieß ich einerseits auf die Methodik der ethnographischen Inhaltsanalyse und andererseits auf eine Forschungsdokumentation mit dem Titel „Peering Beneath the Veil: An Ethnographic Content Analysis of Islam as Portrayed on The 700 Club Following the September 11th Attacks“ by Eric Gormly.
Die Diskursanalyse ist ein Forschungsprogramm, um die Konstruktion von „Wirklichkeit“ und „kollektiven Wissensvorräten“ nachzuzeichnen. In der o.g. Studie analysierte Gormly über zwei Wochen kurz nach den Angriffen vom 11. September 2001 insgesamt neun Folgen des Fernsehsenders „The 700 Club“.
Im Anschluss an eine Literaturanalyse von religiösen Sendungen, die ausgestrahlt werden, um den Menschen moralische Unterstützung, Informationen, Unterhaltung und eine Alternative zu herkömmlichen Fernsehprogrammen, die als unmoralisch eingestuft werden, zu bieten, hat Gormly sich mit dem Programm des „The 700 Club“ als eine Hauptinformationsquelle und Leitlinie für Evangelikale auseinandergesetzt.
Aus Gormlys Befunden wird deutlich, dass Pat Robertson, der Begründer von „The 700 Club“, sich die damals vorherrschende negative Stimmung gegenüber Muslimen im Land zunutze gemach hat, um seine Nachrichten gezielt zu platzieren und den Islam und Muslime allgemein unter den militanten Islam, radikale Muslime und Terrorismus zu subsumieren. Darüber hinaus hat er die Chance ergriffen, unter seinen Zuschauern die Meinung zu verbreiten, dass der Islam nur als Bedrohung des Evangelikalen Glaubens begriffen werden kann.
Dies mag ein krasses Beispiel für die Konstruktion von öffentlicher Wirklichkeit und kollektivem Wissen sein. Aber, der Mechanismus, der soeben aufgezeigt wurde, wird in abgeschwächter Form täglich im öffentlichen Diskurs eingesetzt.
Lasst uns eine Blick auf ein anderes „harmloses“ Beispiel werfen: einen Artikel über die „Ökostadt“ Masdar. Der Begriff „Öko“ wird in diesem Kontext ironisch eingesetzt und zeigt den subtile nicht vorhandenen Respekt gegenüber dem Projekt – gleich, ob es erfolgreich sein wird oder nicht. Nicht eine objektive Berichterstattung scheint das Ziel des Artikels zu sein, sondern eher die Häme über ein gescheitertes Projekt in den Augen eines westlichen Ingenieurs. Der Artikel ist in einer Art geschrieben, die dem Leser kaum die Möglichkeit bietet, sich eine eigene Meinung über das Projekt zu bilden.
Lasst mich ein paar Beispiele geben: Der Artikel beschreibt einerseits, wie unglaublich reich Abu Dhabi sei. Andererseits wird das Projekt „Masdar City“ als „grünes Disneyland“ bezeichnet, dass nur aufgestellt wurde, um das Image des Landes zu verbessern. In anderen Worten: „Schau‘ dir Abu Dhabi an, ein Land reicher als du zu träumen vermagst, aber nicht in der Lage solch ein Projekt umzusetzen, trotz seines Wohlstands“.
Ein weiteres Beispiel, das in die gleiche Richtung geht, ist der Beitrag „Vom Kamel zur Klassik„, der dem Tenor folgt, dass der Oman wohl ein fortschrittliches Land im besten westlichen Sinne sei, aber der Bau eines Opernhauses in einem arabischen Land doch ein bisschen verrückt sei. Nun, wir reden hier ja auch über die „Arabisch Schweiz“ (Zitat), Leute!
Die aufgezeigten Beispiele, abgesehen von der Konstruktion des bösen „Fremden“ im ersten Beispiel, zeigen die Wahrheit, die oft im Unterbewusstsein verborgen ist: der Westen begegnet der Arabischen Welt immer noch nicht auf Augenhöhe.
Gestern war ich im Kino, um mir Eastwoods neuestes Meisterwerk „J. Edgar“ anzuschauen. Ein sehr interessanter und vielschichtiger Film. Der Film soll die Person hinter dem FBI-Direktor zeigen, einem mächtigen Mann mit wenig Selbstwertgefühl, ausgelöst auf eine herrische Mutter, die lieber „einen toten als homosexuellen Sohn“ möchte (in Anspielung an Hoovers vermutete homosexuelle Neigung). Hoover fand zunächst sein Ventil in der Jagd auf Kommunisten und feindliche Einwanderer; später in der Figur von Bürgerrechtlern, wie Martin Luther King. Kommt euch diese Charakterbeschreibung irgendwie bekannt vor? Und erinnert sie euch an jemanden, der einige Jahrzehnte in den Staaten Präsident wurde, ehemaliger Alkoholiker war und ebenfalls unter einer dominanten Mutter zu leiden hatte? Später fiel er (u.a.) im Irak ein. Handelt es sich nur um eine Wiederholung der Geschichte?
Allen, die sich dafür interessieren, wie die Massenmedien kollektives Wissen produzieren, dem sei das Buch „Dining with al-Qaeda“ von Hugh Pope empfohlen.
Weitere Berichte: