Der lange Weg zu den Kästeklippen

Christina/ Juli 14, 2024/ Alltagsgeschichten, Kultur

Nach langer Zeit bin ich mal wieder auf Besuch in Bad Harzburg. Neben einer eigentlich kleinen Wanderung steht ein Konzert auf dem Gestüt Bad Harzburg in Bündheim auf dem Programm. Von dem Musikereignis bekommen wir allerdings nur noch den Abspann mit. Die ursprüngliche 14,9 Kilometer-Tour weitet sich auf über 20 Kilometer aus. Und daran ist nur die schlechte Ausschilderung auf dem Weg zu den Kästeklippen Schuld:-) Und, naja, vielleicht auch ein wenig der Aufenthalt in der schmucken Kleingartenanlage Bündheim und der herrliche Ausblick von der Terrasse des Cafés Goldberg.

Gestüt Bündheim
In der irrigen Annahme, dass ich jeden Winkel des Heilbads am Harz kenne, landen wir in Bündheim. Es ist völlig verrückt, denn der Ortsteil liegt nur 1,5 Kilometer von der Bad Harzburger Innenstadt entfernt. Wir biegen in die Gestütstraße ein. Mir fällt das Hinweisschild „Bündheimer Schloss“ ins Auge. Wow, ein Schloss bei Bad Harzburg. Das ist mir nun völlig neu. Susanne relativiert das Gesehene kurzerhand: „Naja, ein Schloss ist es nicht gerade“, sagt sie. Stimmt, der typische Prachtbau ist es nicht, aber immerhin. Für Hochzeiten und Veranstaltungen jeder Art kann das Gebäude angemietet werden. In weiser Voraussicht auf das spätere Konzert im Gestüt Bad Harzburg parken wir hier das Auto.

Ein Animierpferd namens Holger
Wir betreten den Schlossgarten. Am Ende der Grünanlage fallen uns ein paar Grabsteine auf. Auf diesen stehen Namen wie Blasius und Emilius. Susanne vermutet, dass es sich um verstorbene Pferde handeln könnte. Und tatsächlich, eine Informationstafel bestätigt diese Vermutung. Zum Schmunzeln bringt uns allerdings ein norwegisches Pferd namens Holger, dass seinerzeit als Animiergaul tätig war. Von Animierdamen hatte ich wohl schon gehört. Dass sich allerdings Reittiere auch dafür eignen, das war mir neu. Wir folgen der Straße „Am Schlosspark“ bis wir auf die Silberbornstraße treffen. Wir sind auf der Suche nach dem Einstieg zu den Gestütswiesen. Auf dem Weg dorthin kommen wir an einer Kleingartenanlage vorbei. Die begrenzten Grundstücke sind liebvoll gepflegt und begeistern uns geradezu. Ich glaube, hier vertrödeln wir schon einige Zeit, die wir im Grunde genommen nicht haben. Trotzdem bleiben wir immer wieder stehen und verlieren uns in den kleinen Details der unterschiedlichen Parzellen. Am liebsten würden wir den Grill herausholen und einen kühlen Weißen trinken.

Hund jagd Schmetterling
Es geht zurück auf die Silberbornstraße. Rechter Hand zeigt ein braunes Schild den Weg zum Café Goldberg. Es ist der Stadtstieg, genau da wollen wir hin. Jetzt geht es zwischen den Gestütswiesen entlang. Hier geht es ganz gemütlich und idyllisch zu. Als uns ein Radfahrer mit seinem Hund entgegenkommt, erleben wir eine Szene der besonderen Art. Plötzlich bleibt der Hund wie angewurzelt stehen und bewegt sich nicht mehr. Seine Augen sind starr auf den Boden gerichtet. Dort sitzt ein Schmetterling. Ist der Vierbeiner auf den Falter fixiert? Tatsächlich. Sein Herrchen erklärt uns, dass es sich um einen Jagdhund handele, dessen Instinkt nun geweckt sei. Bei einem Schmetterling? Aber, das braunhaarige Tier meint es ernst. Wie in Zeitlupe hebt er eine Pfote und lässt den Schmetterling dabei nicht eine Sekunde aus den Augen. Ganz behutsam setzt er seine Tatze auf und hebt die andere Pfote. Während das Insekt weiterhin unbeweglich bleibt, macht der Hund einen beherzten Sprung, ist aber viel zu langsam für den Schmetterling.

Wir biegen links ab und folgen einem schmalen Pfad hoch zum Café Goldberg. Die wunderschöne Terrasse hoch über Bündheim und Bad Harzburg ist bereits gut besucht. Der Ausblick ist einfach zu verlockend, um weiterzugehen. Also legen wir einen Stopp ein, der auch wieder etwas länger dauert. Mit Blick auf die Uhr reißen wir uns schließlich los und begeben uns auf den 48-Pfenning-Weg, der uns zur Kästeklippe führen soll. Wir folgen zuerst einem breiten Forstweg, dann stoßen wir auf einen schmalen Pfad und kämpfen uns durch’s Unterholz. Das ist tatsächlich gar nicht so einfach, weil der Weg sehr zugewaschsen ist. Besenheide, Fuchskreuzkraut und Fingerhut wachsen hier überall und machen aus dem Westharz eine bunte Blumenwiese. Die Natur hat sich mancherorts bereits den toten Bäumen entledigt und durch ein buntes Potpourri von Wildblumen ersetzt.

Es geht bergauf in Richtung Kästeklippen. Weiter oben müssen wir jedoch irgendein Richtungsschild misinterpretiert haben, denn plötzlich zeigen die Zeichen wieder eine größere Entfernung an. Wir sind irritiert. Hm, es sollen immer noch 3,8 Kilometer bis zu den Felsen sein? Wir sind doch schon eine ganze Weile unterwegs. Naja, es hilft nichts. Neuer Versuch. Aber irgendwie wollen die Kilometerangaben nicht weniger werden. Mittlerweile sind wir auf der Goldbergstraße. Eine ganze Zeit später erreichen wir den Goslarschen Weg mit dem Stiefmutterplatz. Jetzt kann es wirklich nicht mehr weit sein. Es ist ja auch schon 17 Uhr.

Der Alte vom Berge
Kurz bevor wir unser Ziel erreichen erzählt mir Susanne, dass es das Gasthaus an den Kästeklippen schon seit Jahren nicht mehr gibt. Ich bin überrascht. Okay, es ist schon eine ganze Weile her, dass ich an dieser Stelle zum Stempelsammeln war. Auf jeden Fall stehen hier nur noch ein paar Grundmauern, die das ehemalige Gebäude erahnen lassen. Die Immobilie gehört wohl den Niedersächsischen Landesforsten. Hier lässt sich nachlesen, dass der Neuaufbau des Gasthauses auf sich warten lässt. Abenteuerlustig wie ich bin, klettere ich über die Felsen bis zum Aussichtspunkt am Rand der Klippe. Ach ja, ist schon toll das Panorama im Harz. Ich kann mir nicht helfen, ich muss noch ein paar Bilder schießen. Während dessen ist Susanne bereits auf der Suche nach mir. Wir wollen ja noch zum Konzert.

Für den Rückweg wählen wir die vermeintlich kürzeste Strecke. Allerdings hängt hier ein rot-weiß-gestreiftes Kunstoffband über dem Weg. Normalerweise ein Zeichen dafür, dass die Strecke gesperrt ist. Ein Schild auf dem Boden weißt jedoch daraufhin, dass die Sperrung nicht für Radfahrer und Wanderer gilt. Puh, Glück gehabt. Vorbei an Mückenhändelwurz und Jakobs-Greiskraut bahnen wir uns den Weg zurück. Auf dem Pfad zum Café Goldberg wird es noch einmal richtig steil. Wieder müssen wir uns durch hohes Gras, Dornen und Brennesseln schlagen. Neben uns rauscht fröhlich ein kleiner Bach. Dann sind wir wieder auf dem 48-Pfennig-Weg und somit zurück am Ausflugslokal, das zwischenzeitlich für heute seine Schotten dicht gemacht hat. Wir laufen den gleichen Weg nach Bündheim zurück, also wieder an den Gestütswiesen vorbei.

Konzert verpasst
Als wir schließlich das Gestüt Bad Harzburg erreichen, ist es verdächtig ruhig. Keine Musik, kein Geräusch, kein gar nichts. Dann hören wir Beifall. Wir biegen in den Innenhof ab und hören gerade noch das Schlusswort der Veranstalter. Zwei Lieder werden noch als Zugabe zum Besten gegeben, dann ist Schluss. Zwischenzeitlich habe ich über das Internet erfahren, dass mein Zug nach Braunschweig gecancelt wurde. Super. Ich schaue, ob es eine Alternative über Salzgitter-Ringelheim gibt. Das könnte klappen. Durch Zufall erfahren wir am Bahnhof von einem Mann, dass es wohl einen Schienenersatzverkehr nach Vienenburg geben soll. Das klappt. Pünktlich gegen 21:30 Uhr bin ich in Braunschweig und blicke auf einen gelungenen Tag im Harz zurück. Wieder zuhause sehe ich, dass mir Susanne das Ergebnis der heutigen Tour rübergeflankt hat: 22 Kilometer. Die Höhenmeter schätze ich auf ca. 400. Also ordentlich Auslauf für einen Nachmittag:-)

Share
Share this Post