Die sieben Todsünden

Christina/ November 17, 2019/ Kultur

Letzten Freitag (15.11.2019) hat der Braunschweiger Künstler Denis Stuart Rose seine Ausstellung „Die sieben Todsünden“ mit einer Vernissage vor geladenen Gästen eröffnet und ich durfte dabei sein. Von den sieben Todsünden, eine „Erfindung“ der katholischen Kirche, hat wahrscheinlich jeder von euch schon einmal gehört. Diese sind: Hochmut, Geiz, Neid, Völlerei, Trägheit, Wollust, Habgier. Ich erinnere mich an den pathetischen Glaubenssatz meiner Großmutter „Hochmut kommt vor dem Fall“, auch wenn ich als Kind vermutlich nicht verstanden habe, was damit gemeint war. In der Lehre der katholischen Kirche sind die Todsünden auch als „Hauptsünden“ bezeichnet, die zu weiteren Verfehlungen führen. Manch einen mag das Thema auch an den Film „Sieben“ erinnern, der 1995 in unsere Kinos kam.

Wie es Stuart Rose gelungen ist, dieses Thema aus dem Mittelalter in die Postmoderne zu transportieren und seinem Publikum damit das eigene Verdrängen vor Augen zu führen, darüber werde ich heute in meinem Post berichten. Die Ausstellung ist vom 16.11-7.12.2019 in der Galerie „einRaum“ zu sehen.

Nicht schweigen, sondern thematisieren

Als im am Freitag gegen 19 Uhr die Galerie einRaum im Handelsweg 5-7 in Braunschweig betrete fällt mir als erstes die sehr angenehme Atmosphäre dieses Ausstellungsortes auf: weit und breit sind keine geschniegelten, selbstgefälligen, wahnsinnig „kunstbeflissene“ Menschen zu sehen, sondern vielmehr sympthatische Zeitgenossen, die mir offen, herzlich und aufgeschlossen begegnen, so wie der Künstler des Abends selbst. Den einRaum hatte ich bis dahin nicht wahrgenommen, deshalb lasse ich mir zunächst von einer Bekannten das Konzept erklären und bin begeistert. Hier wird sowohl bekannten als auch neuen Künstlern die Möglichkeit gegegeben, gegen einen recht bescheidenen Obulus ihre Kunst auszustellen – toll, dass es so etwas in Braunschweig gibt. Genau diese Erfahrungen sind es, die mich wieder mit Braunschweig versöhnen, wenn ich einmal das Gefühl habe, dass Braunschweig m.E. zu manchen Themen zu sehr schweigt.

Leise rieselt die Träne
Und damit sind wir schon wieder bei Stuart Rose und seiner Interpretation der sieben Todsünden. Die Einführung ins Werk kommt von Dietrich Küssner, seines Zeichens Historiker und Theologe. Mit einem Zwinkern in den Augen schlägt Küstner den Bogen von den mittelalterlichen Verboten und Kontrollmechanismen der Katholischen Kirche und deren künstlerische Darstellung bei Hieronymus Bosch und Brügel zu den heutigen unfassbaren Grausamkeiten des Korea-, Afghanistan-, Lybien- oder Irak-Kriegs. Dabei geht es Küssner, wie auch Stuart Rose, u.a. um die Rolle des Zuschauers, des Betrachters der Kunstobjekte. Was lösen diese beim Publikum aus? Sind Sie dazu gedacht, den Beobachter zu beteiligen? Sind Sie dazu gedacht, Ereignisse zu beschönigen, wie es so manche Ausstellung evoziert? Oder sollen sie betroffen machen? „Leise rieselt die Träne“ nennt Küssner das treffend in seiner kurzen Rede. Auch hier ist die Quintessenz wieder: Denken statt konsumieren, hin- statt wegsehen, Auseinandersetzung statt Verdrängung.

Der Transfer in das Hier und Jetzt
Wie sieht nun Stuart Roses Interpretation der postmodernen Verhältnisse aus, der Transfer in die Verhältnisse des Hier und Jetzt? Da sind wir schnell bei den Absurditäten des „Cyberkrieges“ und den menschenverachtenden Verhaltensweisen vorherrschender Weltordnungssysteme, verpackt in Akten der Aufrechterhaltung von öffentlicher Sicherheit und des Weltfriedensschutzes. Aus Hochmut wird der Hochmut der (Kriegs-)Sieger, aus Völlerei die Praktik des Waterboardings in Foltergefängnissen und aus Wollust die Lust am Schießen. Zorn ist der Zorn der Schutzsuchenden, denen in der neuen Heimat die Existenz verweigert wird. Habierg ist die Gier nach Energie(-Quellen), die es weltweit auszubeuten und für die eigene Industrie zu sichern gilt. Neid sind die ausgeschlagenen Goldzähne in KZs, das Berauben der Wehrlosen. Und schließlich die Trägheit, die Menschen dazu veranlasst andere Menschen mit Eis zu besprühen, solange bis diese den Erfrierungstod sterben.

Harte Bretter
Das sind insgesamt alles „harte Bretter“, die Stuart Rose da seinem Publikum vorführt und zumutet. Hart sind sie deshalb, weil sie treffsicher auf den Punkt gebracht sind, geradlinig, zielsicher, absolut sehenswert! Allen, die mutig sind und sich auseinandersetzen wollen, empfehle ich diese Ausstellung. Alle anderen bleiben vermutlich bei ihrem Konzept von Braunschweig schweigt und lassen leise eine Träne rieseln.

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