Hoch über Hildesheim: Eine Raststättenwanderung

Christina/ April 18, 2021/ Alltagsgeschichten, Kultur

Heute zeige ich euch, wie ich aus einer 16km-Wanderung eine 22km-Wanderung mache. Außerdem könnt ihr erfahren, wie es mit dem Projekt der Vogel- und Pflanzenbestimmung weitergeht. Und schließlich werde berichte ich darüber, warum die Lew(b)enslust dringend wieder nach Deutschland zurückkommen muss.

Wenn der Wald blüht
Wir parken das Auto in der Nähe der Feldstraße in Hildesheim. Zuerst geht es zum Kriegerdenkmal am Galgenberg. Der überdimensionierte Soldat, der stellvertretend für die vielen Gefallenen im ersten Weltkrieg steht, fällt sofort ins Auge. Ich werde diese Heldenverehrung von „armen Schweinen“, die in sinnlosen Kriegen sterben mussten, nie verstehen. Deshalb lassen wir das Monument auch schnell „links liegen“ und biegen in den Stadtwald ein. Wir laufen auf einem schmalen Pfad und lauschen einen Moment lang den Vogelstimmen. Da gelingt mir gleich der „shot of the day“, ich lichte ein schönes Rotkehlchen ab.

Nach kurzem Innehalten wenden wir uns dem Baumbestand zu. Was sehen wir hier? Sind es Buchen? Nein, denn wir finden keine Eckern auf dem Boden. Sind es denn Eichen und welche Art von Kiefern wachsen hier? Wir schauen uns weiterhin nach Spuren von Baumfrüchten um. Nun, wir können zumindest die Zapfen der Kiefer ausmachen.

Außerdem blüht es links und rechts von uns bereits: Wir können Kirschblüten, Schlüsselblumen und Buschwindröschen ausmachen.

Walking the extra mile
Nachdem wir den Stadtwald verlassen haben geht es in das Vorholz und eine ganze Weile am Waldrand entlang mit schönen Ausblicken auf Hildesheim. Nach einer ganzen Weile erreichen wir den Fischteich im Wäldchen Querburg mit seinem Findling, der wohl als „Open-Air-Kirche“ genutzt wird. Frederik drängt plötzlich zur Eile, angeblich würden wir trödeln und hätten noch nicht einmal die Hälfte des Weges erreicht. Wirklich? Ich schaue auf meine App. Diese zeigt mir 7,1 gelaufene Kilometer an. Also, wenn die Strecke insgesamt 16 km lang ist, dann haben wir doch fast die Hälfte geschafft. Nun, wir beide können zu dem Zeitpunkt noch nicht wissen, dass wir später die Wanderung „aus Versehen“ auf 22 km verlängern und somit tatsächlich noch einiges vor uns haben.

Zunächst erreichen wir die Spitzkehre, die uns auf den Kammweg und damit zurück nach Hildesheim führen soll. Oben auf dem Kamm entdecken wir eine erste Ausschilderung, die uns in diesem Fall aber in die Irre führt. Wir fragen uns nämlich, ob es zum Brockenblick nach links oder nach rechts geht. Ich behaupte, dass der Brockenblick zu unserer Tour gehört, Frederik setzt dagegen. Im Nachhinein ärgere ich mich. Ich hätte doch glatt eine paar Dogecoin wetten sollen, dann hätte ich jetzt einen kleinen Gewinn gemacht.

Wir entscheiden uns dafür, den vermeintlichen 1,5 km langen Umweg in Kauf zu nehmen, um den Brockenblick zu genießen. Unterwegs kommt mir die ganze Sache komisch vor. Fredrik meint allerdings wir müssten nur noch den Hügel hoch und dann … Ja, was wir dann sehen hat überhaupt nichts mit einem Blick und schon gar nicht mit dem Brocken zu tun. Wir blicken auf die Autobahnraststätte „Hildesheimer Börde West“. Egal, wir machen aus der Not eine Tugend und holen uns an der Tanke einen „kräftigen Schwarzen“ raus.

S oder XXL?
Da Frederik seine Maske unterwegs geschrottet hat, muss ich den Kaffeekauf übernehmen. Ich betrete die Versorgungsanlage und erblicke zunächst eine rauchende und genervt wirkende Tankstellenangestellte. „Tach“ sagt sie. Hm, bin ich hier im Berliner Kiez gelandet? Ich frage nach einem Kaffee, die Dame zeigt auf zwei Automaten. Na prima. Hoffentlich nehmen die auch Scheine. Ich werfe einen Blick auf die Auswahl. Die Tankstellenangestellte sieht meinen mitgebrachten Thermobecher: „Den dürfen Sie hier drinnen gar nicht dabeihaben.“ „Du mich auch“ denke ich nur. Ich werfe einen Blick auf die Pappbecher, wieso gibt es nur die Bechergrößen „S“ und „XXL“? Neben mir steht ein Mann an der zweiten Maschine und versucht sich ebenfalls zu orientieren. „Auf dem Display steht ‚Filter wechseln‘. Was soll ich denn jetzt machen?“ fragt er die „freundliche“ Dame. „Das können Sie ignorieren“, so die Antwort. Ich kämpfe noch mit „S“ oder „XXL“. Eigentlich ist mir Zweiteres viel zu groß. Andererseits kostet die „S-Größe“ 3,00 Euro und XXL kosten 3,80 Euro. Aus Proportionsgründen wähle ich zweimal XXL und gieße meine schwarze Brühe in meinen Thermobecher um.

Ich mach‘ die Klappe auf
Mit dem heißen Getränk in der Hand geht es zurück zur Gabelung. Unterwegs kommt plötzlich und unerwartet die Sonne zwischen den Wolken durch und taucht die Szenerie in ein schönes Licht. Schnell ist der ungewollte Schlenker über die Tanke vergessen. Tatsächlich sind wir aber immer noch auf der Suche nach dem Brockenblick. Wir fragen einen der zahlreichen Mountainbikefahrer, die uns an diesem Tag begegnen. Wir sind nicht mehr weit entfernt. Querfeldein kürzen wir den Weg ab und erreichen schließlich doch noch den Brockenblick, der leider keiner ist.

Vor dem geschlossenen Hotel und Restaurant gleichen Namens steht eine Wurstbude, die am Wochenende „die Klappe aufmacht“ und neben Getränken auch Waffeln verkauft. Allerdings wird die bis hierhin genossene Waldruhe durch dröhnende Musik gestört, die aus eben diesem Wagen stammt. Wir gehen also weiter und sehen in der Ferne den „Gelben Turm„, die Sternwarte von Hildesheim. Ich möchte auf diesen Turm steigen und die Aussicht genießen! Mein Herz wird schwer. Aber, es bleibt mir keine Zeit zum Trauern, Frederik will schon weiter. Was soll ich sagen, die kluge Frau gibt nach. Ich werfe einen Blick auf meine App, wow, schon 18,1 km in den Beinen. Es geht weiter Richtung Hildesheim. Am Wegesrand taucht plötzlich ein schönes Gebäude auf. Was das wohl sein mag? Wir werfen einen Blick auf das verwaist wirkende Gelände. Es handelt sich um das Restaurant Lewenslust, das in einem ehemaligen Forsthaus residiert und natürlich geschlossen ist. Und was habe ich gelesen? Anstelle von Lewenslust setzen meine Augen das Wort Lebenslust zusammen – klarer Fall von Entzugserscheinungen.

Einer von 146 Bismarcktürmen in Deutschland
Am Ende unserer Tour kommen wir noch am Bismarckturm von Hildesheim vorbei, einer von 146 Bauwerken dieser Art, die es in Deutschland noch gibt.

Link zur Tour

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