#kunsttour23

Christina/ Juni 28, 2023/ Kultur

Es tut sich etwas in Braunschweig – kulturell. Da waren zunächst die musikalischen und künstlerischen Highlights von Buskers im Mai dieses Jahres und der Kulturnacht am 17.6. Dieses Wochenende dann der nächste Coup, die #kunsttour23. Endlich kommt das Künstlerleben in Braunschweig nach Corona wieder zu seinem Recht. Jetzt merke ich erst, wie sehr mir diese Leichtigkeit, die Inspiration und Kreativität gefehlt haben. Und neben den künstlerischen Aspekten sind es auch die Einblicke in herrliche Gärten und schön gestaltete Ateliers, die meinen kreativen Geist frohlocken lassen.

Lehndorf als Kunstmekka
Bei herrlichstem Sommerwetter geht es zuerst zur Beckinger Straße, dem „Ort 44“. Als wir dort eintreffen halten wir Ausschau nach den rosa Luftballons, die die Künstlerorte markieren. Ja, hier sind wir richtig. Wir steigen hinauf bis unter das Dach. Hier hat Brigitte Wöhler ihr Atelier. Zunächst fremdeln wir noch ein wenig beim Betreten der ehemaligen Dienstbotenwohnung. Als erstes sticht uns das Bild eines Vogels ins Auge. Ich meine, das habe ich bereits in der 120seitigen Broschüre zu den Tagen der offenen Tür gesehen. Auch das Stillleben mit dem Käsebrot und den Tomaten kommt mir bekannt vor. Wöhler hat sich auf Tiermalerei, Portraitmalerei und eben Stillleben spezialisiert. Mit der Künstlerin kommen wir noch ins Gespräch und lernen, dass sie sich von der Aquarellmalerei weitestgehend zurückgezogen hat. Nun konzentriert sie sich auf Bilder in Ölfarben.

Wir bleiben in Lehndorf und radeln zur Saarbrückener Straße. Am Ort 34 erwartet uns Susanne Rehage. In einem schönen Gartenhaus, das in einem noch schöneren Garten steht, stellt Rehage ihre Bilder aus. Ihre Bilder entstehen u.a. im Urlaub, z.B. in Schweden oder in Frankreich. Aber auch zahlreiche Stillleben, die Früchte, Gemüse oder Fische zeigen, sind zu sehen. Im Gespräch sagt Rehage uns, dass Sie ihre Bilder u.a. auch von Fotografien abzeichnet. Die Motive aus dem Kopf nachzuzeichnen, falle ihr schwer. Auf meine Frage hin, wie lange sie durchschnittlich für ein Bild benötige erzählt sie, dass es ungefähr eine halbe Stunde beanspruche. Ich staune. Aber, führt sie weiter aus, manchmal müsse sie ein Motiv auch bis zu zehn Mal zeichnen, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden sei. Mir gefallen die Farben der Bilder sehr. Und gerade als wir eintreffen verkauft die Künstlerin ein Bild an ein Ehepaar.

Im Anschluss an den Rundgang werden uns Getränke und Kekse angeboten. Dazu dürfen wir auch einen näheren Blick auf den sehr idyllischen Garten werfen. Ich finde, das ist eine sehr schöne und gelungene Kombination, das Zusammenspiel von Kunst, Gartenkultur und Gastfreundschaft.

Gaia, die Göttin der Erde
Wir setzen unsere Route fort und kommen ins Kanzlerfeld. Der Reichweinweg ist ein schöne und ruhige Wohnstraße. In einem der Häuser mit Gartengrundstück stellt die Künstlerin Sofia Stenger (Ort41) aus. In einem tollen Ambiente kommen die ausgestellten Bilder und Skizzenbücher besonders gut zur Geltung. Die Zeichnungen gefallen uns sehr gut. Wir bewundern die Skizzen, besonders vor dem Hintergrund, dass wir selbst diesbezüglich überhaupt kein künstlerisches Talent aufweisen. Im Esszimmer werden Getränke und schwedisches Gebäck offeriert. Leider drängt die Zeit etwas. Mit 42 verschiedenen Orten und 124 Künstlern ist die #kunsttour23 schon sehr weitläufig angelegt. Da ist die Aufenthaltsspanne bei den einzelnen Ausstellungspunkten leider begrenzt.

Wir verlassen Lehndorf und das Kanzlerfeld und radeln Richtung östliches Ringgebiet. Auf dem Weg dorthin stoppen wir am Schimmelhof und schauen bei der Bildhauerin Sabine Hoppe vorbei. Wir sind am Ort 26 angelangt. Das Kelleratelier an der Hamburger Straße ist angenehm kühl. Für meinen Geschmack ist es mir aber zu überladen. Tonnenweise stehen hier große und kleine Plastiken herum. Es ist schon schwer, einen Überblick zu bekommen. Gleich ins Auge fällt die drei Meter lange Gaia aus Stuckgips. Hoppe hat diese im Jahr 2017 angefertigt. Dem Publikum erzählt sie die wechselvolle Geschichte über die Herstellung der Skulptur. Mittendrin wurde der Plastik sogar einmal der Kopf abgeschlagen! Zum Glück sitzt er jetzt wieder dort, wo er hingehört.

Zu Besuch in Bullerbü
Aufgrund der warmen Temperaturen brauchen wir erstmal eine Verschnaufpause im Löwengarten. Langsam, aber sicher geht es auf das Ende des ersten Tages der offenen Türen zu. Wir müssen uns beeilen, um noch einen Blick in das Schwedenhaus von Tante Berg (Ort 20A) werfen zu können. Etwas versteckt liegt das Anwesen in der Goldapstraße. Heute wird hier das schwedische Midsommarfest gefeiert. Die Aussteller im Garten und im Schwedenhaus tragen bunte Blumenkränze auf dem Kopf – das Erkennungszeichen der Feier. Zu sehen und zu bestaunen gibt es Holzarbeiten, Werke aus Keramik, Fotografien und eine Schminkecke. Das Schmuckstück des Geländes ist unumstritten das Schwedenhaus. Es ist liebevoll eingerichtet und dekoriert – man möchte es gar nicht wieder verlassen.

Am zweiten Veranstaltungstag geht das Thermometer nochmals in die Höhe. Heute ist es wirklich heiß. Ich habe Besuch aus Goslar. Eine kunstverständige Freundin schwingt sich mit mir auf’s Rad. Wir velozipedieren Richtung Innenstadt und genießen den Fahrtwind. In der Leonhardstraße ist das Atelier „Violet Pictures“ unser Ziel. Hier stellte eine gute Bekannte ihre Kunst aus: Malerei, Fotografie und sogenannte Upcycling-Kunst steht ist zu bewundern. Wenn man den Laden betritt, so springt einem als erstes das große Frida Kahlo Porträt an der Wand ins Auge. Mir gefallen besonders die Fotografien, meist von sogenannten Lost Places, die eingerahmt in alten Zigarrenkisten an der Wand hängen. Eine schöne Idee, wie ich finde. Und, es gibt sogar eine Braunschweig Edition.

Mit Schmidt plaudern wir ein wenig über die Anfänge ihrer Künstlerkarriere und den – teilweise unerlaubten – Besuch von Lost Places. Dass es zu diesem Thema sogar organisierte Touren gibt oder man Besitzer solcher Areale mit Vodkaflaschen bestechen kann, war mir neu. Während wir uns noch im Laden umsehen, wird es plötzlich voll und laut. Der ADFC hat für die #kunsttour23 zwei Radrouten organisiert. Eine der Gruppe steht nun auf der Matte und stürmt den kleinen Laden. Allerdings ist bei den Damen das Interesse an Permanent Make-up und Tattoo-Entfernung größer als an der ausgestellten Kunst.

Ein Mann, der für alle Schweinereien zu haben ist
Da wir um 15 Uhr in BS-Ölper einer Lesung lauschen wollen, brechen wir nach dem Genuss eines kühlen Schlückchens Wasser wieder auf. Ziemlich durchgeschwitzt erreichen wir schließlich den Ort 15. Wir wollen Peter Umland sehen, der Mann, der von sich selbst sagt, dass er für alle Schweinereien zu haben ist.

Nun ja, es geht in seiner Geschichte tatsächlich um Schweinereien. Aber nein, nicht das, was Ihr jetzt denkt! Umland gibt die Story von vier Ferkeln namens Sokrates, Hannibal, Moni und Leonardo zum Besten. Die Vier spielen beim FC Germania Sauingen. Moni will beweisen, dass weibliche Schweine genauso gut Tore schießen können, wie männliche. Da wird zwar nicht mit fairen Mitteln gespielt. So hat der Torwart Hannibal seinen bereits dicken Körper noch zusätzlich in einen alten Autoreifen geklemmt und sich einen kaputten Eimer auf den Kopf gesetzt, um das Tor gänzlich auszufüllen. Moni jedoch pariert diese Finte, indem sie Hannibal mit Sahnetörtchen ablenkt und so die „Pille mit Schmackes in die Maschen“ setzt.

An diesem Ort mit der Nummer 15 findet aber nicht nur eine Lesung statt. Hier stellt auch Constanze Walter aus, deren Markenzeichen die Stoffmalerei ist. Uns gefällt das Faultier, das direkt über einem Sofa hängt. Mein Blick fällt auch auf einen Wüstenfuchs und verschiedene Darstellungen von Raben, die teilweise sehr lustige Sachen machen. Ja und manchmal landen diese auf bemaltem oder unbemaltem Sperrholz, gerahmt von einer Käseschachtelverpackung aus Holz. Wenn das nicht kreativ ist.

Wir ziehen nur zwei Häuser weiter und sind schon am nächsten Kunstort, der Nummer 16. Hier stellt u.a. Heide Lühr-Hassels ihre Ölbilder aus. Wir müssen allerdings zugeben, dass uns die Hitze des Tages zu schaffen macht. Hier lockt uns eher der paradiesisch angelegte Garten hinter der Scheune als die Kunst. Als wir dann auf dem Rasen auch noch zwei Liegestühle entdecken ist es um uns geschehen: wir liegen flach und genießen jede Minute davon.

Nach einer gemütlichen Stunde oder so sind wir bereit weiterzuziehen. Ein Stückchen weiter die Straße hoch landen wir im Haus von Marion Holste. Hier werden wir zum Abschluss unserer Tour nochmals überrascht. Unter dem Motto „Retro- und Prospektive“ stellt Holste Zeichnungen und Aquarelle aus. Ihre Schwerpunkte sind Reiseskizzen und abstrakte Zeichnungen. Wir staunen, wie es der Künstlerin mit wenigen Pinselstrichen gelingt, die Atmosphäre einer mediterranen Stadt perfekt wiederzugeben. Es entsteht ein Bild im Auge des Betrachters, dass jeden Mittelmeerfan gedanklich an den Ort seiner Sehnsucht verschlägt. Das gefällt uns richtig gut.

Entspannter Jazz in der Jahnstraße
Mit letzter Kraft strampeln wir von BS-Ölper in das westliche Ringgebiet. Das Ziel ist der Kunstsalon in der Jahnstraße. Hier soll nämlich das Abschlusskonzert mit Musik von Henryk Römisch und Marcel Reginatto stattfinden. Wir erreichen den Austragungsort gerade noch rechtzeitig. Es gibt sogar noch zwei freie Plätze auf mit Hussen bezogenen Stühlen. Schnell holen wir noch zwei Getränke, da legen die beiden Herren auch schon los. Das tut jetzt richtig gut! Die Musik und die Getränke lassen uns langsam entspannen. Die Hitze des Tages hat etwas nachgelassen. Wir sitzen gemütlich im Schatten und Lauschen den angenehmen Klängen. So könnten wir für ewig sitzen bleiben, würden nicht unsere Mägen langsam knurren und nach ihrem Recht verlangen.

Ich blicke auf zwei schöne Tage zurück und bin überrascht und begeistert, wie viele Künstler:innen sich in Braunschweig tummeln. Hier ist sehr viel Kreativität und Können vereint. Schön, dass es die #kunsttour gibt. Ich habe mich sehr darüber gefreut Neues kennenzulernen und den Horizont zu erweitern. Gut, dass öffentliche Kunst wieder stattfindet.

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