Lost Places: Eine Finissage im MokkaBär
Herzliche Atomospähre in der Weststadt
Immer auf der Suche nach einer besonderen Veranstaltung, Ausstellung oder Begegnung begebe ich mich an diesem Samstagnachmittag in die Weststadt und suche das Café MokkaBär auf. Das Braunschweiger Café von Ilona Bernhof und Oliver Kowalke bietet Kaffee und Kultur am Frankfurter Platz. Offiziell ist es nur am Donnerstag und Freitag geöffnet, bei Veranstaltungen auch samstags. Wie eben heute. Eine sympathische Besucherin, mit der ich ins Gespräch komme, erzählt mir vom selbstgebackenen Kuchen des Hauses, der doch oft sehr schnell weg sei. Positiv fällt mir zudem die sehr gemütlichen Atmosphäre dank bullerndem Kaminofen und herzlichen Gastgebern auf.
Aber ich bin heute nicht wegen des Kuchens dort, sondern weil ich die letzte Chance nutzen möchte, mir die „Lost Places“ von Olaf Ziegler anzuschauen. Die Bilder des Wahl-Braunschweigers sind dort seit November 2019 zu sehen.
Heilstätten, Schlösser und alte Fabrikanlagen als markante Motive
Ziegler, 1968 in Peine geboren, bekommt seine erste Kamera 1989 geschenkt. 2004 zieht er in die Löwenstadt um. Sechs Jahre später wird er stolzer Besitzer einer Spiegelreflexkamera. Den professionellen Umgang mit der Kamera bringt er sich selbst bei und widmet sich der Fotografie nebenberuflich seit 2014 in fachmännischer Manier. Ein Jahr später hat Ziegler ein prägendes Erlebnis als er zufällig nach Beelitz kommt und dort eine verlassen Heilstätte entdeckt. Fortan gilt seine Leidenschaft dem Ablichten von maroden Bauwerken. Sein Interesse fokussiert sich auf verlassene Heilstätten, Schlösser und Fabrikanlagen, ihn reizt das Ungewisse dieser verlassenen Orte. Gleichzeitig bedauert er den Vandalismus, dem er vor Ort auch leider immer wieder begegnet.
Nun ist der Tag der Finissage im MokkaBär gekommen. Der Künstler ist anwesend und beantwortet bereitwillig Fragen. Seine Motive findet er über Google Earth erzählt er mir. Angefangen hat er in Beelitz bei Berlin mit dem Fotografieren der bereits erwähnten Heilanstalt. Zwischenzeitlich sind Fotografien von verlassenen Gebäuden an der tschechischen Grenze, aus Belgien, dem Harz und aus der Nähe von Leipzig dazu gekommen. Zuletzt sei er auf der Suche nach neuen Objekten in Frankreich gewesen, so fügt er hinzu.
Fotografie oder Gemälde?
Ich staune und stutze beim Betrachten der Bilder: Unglaublich aber wahr, bei den Ausstellungsstücken handelt es sich wirklich um Fotografien und keine Gemälde, wie es den Anschein hat. Ich finde es bedauerlich, dass diese prachtvollen Gebäude einfach verlassen wurden und nun dem Verfall preisgegeben sind. Und doch wirken die Bilder manchmal so, also ob die Besitzer erst vor Kurzem ihr Anwesen aufgegeben hätten.
Aufnahmen für die Ewigkeit
Ziegler hat, so beteuert er, alles so fotografiert, wie er es vorgefunden hat. Nichts ist arrangiert oder hinzugefügt. Da gibt es zum Beispiel einen Flügel, der noch mitten im Raum auf einem wunderbaren Mosaikfussboden steht. Eine andere Aufnahme zeigt zwei rote Sessel und ein Kussmund, auch das kein gestelltes Motiv. Oder der Tisch mit Tischdecke und zwei Stühlen, als ob die Besitzer gerade entführt worden wären, wie eine Besucherin anmerkt. Als Architektentocher bin ich von dem tollen Baustil der Gebäude begeistert und mir tut das Herz weh, dass soviel Stil und Schönheit einfach zerfällt. Bedauernd stellen wir fest, dass kein Bauherr mehr in so einer Opulenz heute bauen kann, einfach viel zu teuer. Umso besser, dass Ziegler diese herrschaftlichen Anwesen mit der Kamera festhält und ihnen damit Ewigkeit verleiht.