Öffentliches Training der deutschen Nationalelf: Hansis letzter Auftritt
Game over für Bundestrainer Hansi Flick. Als wir Sonntagvormittag im AOK-Stadion in Wolfsburg zur „Öffentlichen Regenerationseinheit“, so der offizielle Titel, eintreffen, ahnen wir noch nicht, dass dies Hansi Flicks letzter Auftritt als Coach der deutschen Nationalelf ist. Das erfahren wir erst am Nachmittag aus dem Radio. Ob er es schon wusste, als er an diesem heißen September-Sonntag den Rasen betritt? Immerhin gibt er den fußballbegeisterten Kindern und Jugendlichen noch fleißig Autogramme und verteilt Fußbälle. Ein letztes Bad in der Menge – es sei ihm gegönnt. Nach dem Debakel des Vorabends gegen Japan hat sein Thron sicherlich mächtig gewackelt. Nun ist er gestürzt. Unsere Regenerationseinheit des Tages führt uns vom Allerpark nach Oebisfelde. Über die die Velpker Schweiz geht es zurück.
Autogrammjäger in der ersten Reihe
Es ist schon einiges los auf dem Allerparkgelände an diesem heißen Vormittag. Auf der einen Seite strömen die Fans Richtung AOK-Stadion. Auf der anderen Seite locken ein Flohmarkt und das Badeland Wolfsburg. Eine „Öffentliche Regenerationseinheit“ der deutschen Nationalelf steht auf dem Programm. Trotz des katastrophalen 1:4 gegen die japanische Nationalmannschaft am Abend davor, füllt sich das Stadion der VfL-Damenmannschaft so langsam. Besonders die jugendlichen Fans wollen an diesem Tag ihren Stars nahe sein. Viele erscheinen in DFB-Trikots, auf denen bereits einige Unterschriften prangen. Das ist heute also die beste Gelegenheit, um die Autogrammsammlung zu vervollständigen. Auch Pappschilder mit Fragen wie: „Baumann, darf ich deine Handschuhe haben?“ werden von Fußball-Kids hochgehalten.
Als die ersten Spieler kurz nach 11 Uhr aus den Katakomben kommen, geht das Gedränge los. Der Stadionsprecher kündigt an, dass die Spieler zunächst für Autogramme und Fotos zur Verfügung stehen, danach würde das Training beginnen. Dann kommt Rudi Völler auf den Platz und tritt ans Mikrofon. Mit zerknirschter Stimme gesteht er die missliche Lage der deutschen Nationalmannschaft ein – nicht nur zuletzt aufgrund des desaströsen Spiels gegen Japan. Und klar, als nächstes gelobt er Besserung, wie sollte es auch anders sein. Erst danach kommen Hansi Flick und seine Spieler auf das Feld.
Hansis letzter Auftritt
Den Fans vor Ort ist das alles erstmal egal: Hier geht es um Autogramme, um das Abgreifen kostenloser Fußbälle und natürlich – ihr ahnt es bereits – um Selfies mit den Idolen. Thomas Müller, Julian Brandt und Benjamin Henrichs sind die engagiertesten Autogrammgeber. Nach ihrem Durchlauf tritt Hansi Flick in die Arena und setzt seinen „Friedrich Wilhelm“ aufs Papier und verteilt Fußbälle. So richtig entspannt sieht keiner der Protagonisten an diesem Tag aus. Ist vielleicht auch nicht angebracht.
Schließlich beginnt ein kleines Fußballballett auf dem Rasen – das Team wärmt sich auf. Das eigentliche Training beginnt mit dem Zuspielen von Bällen und dem Zielen auf Tore wie man sie vom Wasserball geht. Die Hitze ist mittlerweile fast unerträglich, so dass sich die Aufmerksamkeit der Zuschauer mittlerweile mehr auf die Getränkeausgabe konzentriert als auch das Geschehen auf dem Spielfeld.
Uns zieht es langsam weiter. Wir wollen noch eine Runde mit dem Fahrrad drehen. Ausgesucht haben wir uns die Rundtour: Grenze DDR – BRD – Velpker Schweiz Runde von Wolfsburg Hauptbahnhof. Vom Stadion aus fahren wir zunächst am Badeland vorbei, dann sind wir schon am Allersee. Wir genießen den kühlen Fahrtwind. Wie herrlich ist das nach der stickigen Luft im Stadion.
Von Grafhorst zur Sumpfburg Oebisfelde
Wir folgen eine ganze Weile dem Allerradweg, der uns zunächst entlang der Aller und dann über Alleen nach Grafhorst führt. Eine sehr schöne Strecke und genau das Richtige an diesem heißen Tag. Von Grafhorst geht es direkt nach Oebisfeld. Wir halten Ausschau nach einer „Getränkestation“ und werden an der Sumpfburg fündig. Das restaurierte Burg Café Oebisfelde hat eine einladende Terrasse. Als ich diese betrete, höre ich wie ein älterer Herr Holger fragt, ob er Milch holen will. Hm? Ich verstehe nicht ganz, wie kommt er denn jetzt darauf? Erst später wird mir bei einem Blick auf die Milchbank vor der Einfahrt zum großen Burghof klar, dass hier einst die Kleinbauern herkamen, um ihre Milchkannen abzustellen. Diese wurden dann in die Molkerei zur Weiterverarbeitung gebracht.
Wir lassen wir uns im Schatten nieder und genießen eine Erfrischung. Nachdem die Lebensgeister wieder geweckt sind, werfen wir noch einen Blick in den Innenhof der Burg. Immerhin ist die Sumpfburg in Oebsifeld die älteste noch erhaltene ihrer Art in Europa! Vermutlich wurde die Burg bereits im 10. Jahrhundert angelegt. Im Burghof befindet sich auch das Heimatmuseum.
Velpker Schweiz
Durch den Burgpark kehren wir zurück auf den Fahrradweg. Unser nächstes Ziel ist die Velpker Schweiz. Es geht wieder ins schattige Grün und vorbei am Velpker Findlingsgarten. Plötzlich merke ich, dass mein Fahrradlenker wackelt. Mist, da ist eine Schraube locker. Vorsichtig tasten wir uns bis zur nächsten Tankstelle vor. Dort hilft mir ein netter junger Mann, der glücklicherweise einen 6er Imbusschlüssel in seinem Werkzeugkoffer hat. Das ist nochmal gut gegangen.
Über Neuhaus, vorbei am Wasserschloss, führt uns der Radweg zurück zum Allerpark. Eine herrliche Fahrradrunde mit viel Grün und einigen Sehenswürdigkeiten. Auf dem Rückweg nach Braunschweig hören wir Radio. Es laufen die letzten Minuten im Endspiel der Baskettball-WM. Deutschland spielt gegen Serbien und gewinnt! In den Nachrichten erfahren wir dann schließlich von Hansis Abberufung. Game over für den Bundestrainer.