Sarrazin oder Sarazen?
Das liegt doch einfach auf der Hand oder besser auf der Zunge: Die Ähnlichkeit zwischen dem Namen eines Deutschen, who became infamous, wie der Engländer sagen würde und den Sarazenen, einem arabischen Volksstamm, der bereits den Kreuzrittern trotzte und wohl auch zu dieser Zeit – dem düsteren Mittelalter – bekehrt werden sollten. Versucht man Ähnliches mit dem Muslimen in Europa? Honi soit qui mal y pense? Schon merkwürdig, dass ein Namensvetter eines mittelalterlichen arabischen Volkstammes nun gegen die Integrationsmüdigkeit der Muslime in Deutschland wettert.
Ob es sich überhaupt lohnt über Aussagen Sarrazins von fragwürdigem Gehalt wie: Sarrazin erklärt in einem Interview, Araber und Türken hätten „keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel“ zu diskutieren, sei dahingstellt. Viel schwerwiegender ist, dass solche Aussprüche über die Medien ein Forum erhalten und so erst die Chance haben aus den Gehirnwindungen alter Männer in das gleißende Licht der Öffentlichkeit zu treten.
Kaum hat die Debatte über den nicht integrierbaren Muslim in Deutschland oder Europa wieder begonnen, stürzen sich die mit sonst sinkenden Auflagen kämpfenden Magazine wie der Focus „Zwangsverheiratet“ (Nr. 37/10, 13. September 2010) mit Begeisterung auf das Thema.
Die Frage, die mich dabei beschäftigt ist, kann das Interesse der Deutschen am Schicksal der europäischen Muslima – Stichwort: Kopftuch-, Nikab-, Burka- oder Tschadordebatte – wirklich so groß sein? Geht es dabei wirklich darum, unterdrückten Frauen zu einer Stimme zu verhelfen? Sind es Berichte wie der aus der „Neuen Züricher Zeitung“ (NZZ) „Applaus aus Kairo für das Nikab-Verbot“ (NZZ, Nr. 228 vom 01.10.2010, Seite zwei), in dem ein ägyptischer Islamwissenschaftler und -gelehrter der renommierten Al-Azhar-Museum das französische Gesichtsschleier-Verbot befürwortet, die wir lesen wollen?
Und wo waren/sind die entsetzen Augenzeugenberichte, Bestseller und Aufschreie aus der Republik bei Themen wie „Mitgiftmorde“, die an Hindu-Frauen verübt werden, den Greueltaten und Vergewaltigungen von muslimischen Frauen während des Jugoslawienkriegs oder den Massenvergewaltigungen von Frauen im Kongo? Alles nicht unser „Claim“, weil es sich nicht in unserer Mitte, in Deutschland abspielt und uns direkt bedroht? Gut, was ist dann mit diesen Zahlen: 40% der Frauen in Deutschland haben seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt, 25% der in Deutschland lebenden Frauen haben Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt (häusliche Gewalt) und Gewalt gegen Frauen wird überwiegend durch Partner oder Expartner und im häuslichen Bereich verübt. Auch kein Thema? Was ich damit sagen will: Lieber erstmal vor der eigenen Haustür kehren, bevor man andere belehren will. Und was die verzerrte und einseitige Darstellung der Medien anrichten kann, haben wir eindrücklich bei der Hochwasserkatastrophe in Pakistan erlebt: Plötzlich war der deutsche Spendeheld gebermüde geworden und große deutsche Fernsehsender weigerten sich zunächst Spendengalas auszustrahlen. Ich frage mich, ob manch‘ Bürger überhaupt weiß, welche Kriege und Ungerechtigkeiten mit seinen Steuergeldern finanziert werden. Schon einmal darüber nachgedacht..?
Oder wird der Vergleich deutlicher, wenn wir des Deutschen liebste Ferieninsel bemühen, die er seit Jahren zum 17. Bundesland umzufunktionieren versucht oder wie ist das mit dem integrationsunwilligen Deutschen?