Vernissage: Marcel van Eeden

Christina/ Februar 19, 2024/ Kultur

Als ich kurz vor 18 Uhr am Ausstellungsort eintreffe, sind die beiden klassizistischen Torhäuser des Museums für Photographie bereist gut gefüllt. Noch ist mir nicht klar, ob die zahlreichen Grußworte im rechten oder in linken Teil gesprochen werden. Ich entscheide mich zunächst für das linke Gebäude, stadtauswärts gesehen. Da befindet sich nämlich auch die Kasse. Möglicherweise benötige ich doch ein Ticket oder gar eine persönliche Einladung? Es ist schließlich nichts von beidem. In dem Moment scheinen sich noch „normale“ Museumsbesucher und Gäste der Vernissage miteinander zu vermischen. Die Kunstmäzene stoßen bereits auf die Veranstaltung mit Wein und Bier an und feiern sich in erster Linie selbst. Man sinniert über die letzten Kunstveranstaltungen, denen man beiwohnen durfte und fragt nach den (erfolgreichen) Kindern und dem Wohlbefinden allgemein. Als das Chronommeter dann hörbar 18 Uhr schlägt, begibt man sich auf die andere Seite der Straße, denn hier spielt die Musik.

Die Grußwortkaskade beginnt
Der Saal für die Ausstellungseröffnung ist sehr voll, allerdings ist er auch nicht besonders groß. Ich kann gerade noch einen der letzten Klappstühle ergattern. Noch ahne ich aber nicht, dass die Lob- und Dankesreden uns über eine Stunde beschäftigen werden. Heute, erklärt uns Regine von Monkiewitsch, 1. Vorsitzende des Museums für Photographie, feiern wir nicht nur den Auftakt zur neuen Austellung, sondern auch das 40-jährige Jubiläum des Hauses. Auf Frau Monkiewitsch folgen Frau Prof. Dr. Anja Hesse, Friedemann Schnur, Frau Barbara Hofmann-Johanson und Frau Dr. Bettina Ruhrberg. Letzere Damen halten sich vergleichsweise kurz. Dann schließlich kommt der „Hauptact“, Dr. Reinhard Spieler, seines Zeichens Direktor des Sprengel Museums in Hannover. Er führt doch recht lange und ausführlich in das Werk des niederländischen Künstlers, Marcel van Eeden, ein.

Was hat es mit dem heimlichen Kaiser auf sich?
Allerdings, das muss ich zugeben, habe ich mich schon gefragt, was es wohl mit dem titelgebenden heimlichen Kaiser auf sich hat. Ist damit van Eeden gemeint? Weit gefehlt. Als im Jahr 2022 van Eeden der Hans-Thoma-Preis zugesprochen wird, beginnt der Künstler und Direktor der Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe sich näher mit dem Namensgeber zu beschäftigten. Tatsächlich findet er Anhaltspunkte dafür, dass Thoma Anhänger völkisch-nationalen Denkens war. Von hier aus ist es nicht mehr weit bis zur Lüftung des Geheimnisses um den heimlichen Kaiser. An dieser Stelle kommt Reinhard Spieler zum Zug, der übrigens nebenbei bemerkt neuerdings auch Honorarkonsul Frankreichs in Niedersachsen. Es ist nun an Spieler das Publikum ins Bild zu setzen. Die Geschichte beginnt 1898 als Hans Thoma zur Rembrandt Ausstellung in die Niederlanden reist. Marcel van Eeden ist diese Reise abgefahren. Das Ergebnis seiner künsterischen Forschung darf getrost als Paukenschlag gelten. Van Eeden belegt nichts Geringeres als die Freundschaft zwischen dem Rembrandtdeutschen Julius Langbehn und Hans Thoma. Seine Erkenntnisse führen ihn zu der Feststellung, dass Hans Thoma Antisemit sei. Nun überlege man, den Hans Thoma Preis umzubenennen. Es gibt aber auch Gegenstimmen, die zu einer genauen Überprüfung anregen.

Die Freiheit der Kunst als Lichtblick in schwierigen Zeiten
1890 veröffentlich Langbehn eine Publikation mit dem Titel: Rembrandt als Erzieher. Langbehns Buch, so erklärt es uns Spieler, spräche von einem neuen Führer oder Kaiser, der auf die Demokratie folgen würde. Das ist er, der heimlich Kaiser, der nach Langbehns Vorstellungen ein Künstler sein muss. „Wenn ein solcher ‚heimlicher Kaiser‘ kommt, so schreibt Langbehn, so wird er die Gabe zu führen und zu formen, besitzen müssen.“ Wie es jetzt mit dem Hans-Thoma-Preis weitergehen soll, ist noch offen.

Nichtsdesto trotz hat Marcel van Eeden Langbehns Buch zum Anlass genommen, um Geschichte künslterisch aufzuarbeiten. Überhaupt und auch das ist besonders, spielt van Eedens Schaffen in der Zeit vor seiner Geburt, also vor 1965. Geschichte und Fiktionen verschwimmen in seinen Fotoarbeiten und Zeichnungen, die wie Graphic Novels anmuten, aber nicht fortlaufend sind. Spielers Ausflug in die historischen Gegebenheiten gerät doch ein wenig lang. Das Sitzfleisch des Publikums wird ja auch bereits seit über einer Stunde beansprucht. Schließlich werden die Gäste entlassen und aufgefordert, sich den Werken zu widmen. Hier scheint sich das Interesse aber eher darauf zu konzentrieren, in ein gepflegtses Pläuschen zu gehen. Sätze wie „mein Vater war Schriftsteller, Maler und Archäologe“ sind keine Seltenheit. Nun, solche mit breiter Brust vorgetragenen Statemens kann man nur mit einem weiteren Schluck Wein goutieren. Obwohl mir van Eedens Serie „When the big wackel hug came to town (…)“ auch passend erscheint.

Die als Doppelausstellung angelegte Schau „Marcel van Eeden. Der heimliche Kaiser. Fotoarbeiten und Zeichnungen“ (Museum für Photographie Braunschweig und Mönchehaus Goslar) ist noch bis zum 21.04.2024 zu sehen.

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