Wanderung: Von Bienenbüttel nach Lüneburg
„Muss i‘ denn, muss i‘ denn zum Städtele hinaus, Städtele hinaus?“ Ja ich muss und zwar nach Bienenbüttel. Ein Freund hat mir von der naturnahen Wanderung entlang der Ilmenau von Bienenbüttel nach Lüneburg erzählt. Bei der Wanderung werden verschiedene Nebengewässer wie der Dieksbach, der Hasenburger Mühlenbach und der Göxer Bach überquert. Und zum Schluss lockt die schöne Lüneburger Altstadt mit ihrer Backsteingotik. Klar, meine Neugier ist geweckt. Also nichts wie hin. Was wir dann unterwegs allerdings noch entdecken hätte sich keiner von uns träumen lassen.
Ein Zwiegespräch zu dritt
Wir starten unsere knapp 20 Kilometer lange Wandertour am Bahnhof in Bienenbüttel. Zunächst durchqueren wir die Fußgängerzone und halten uns vor der Kirche links. Wir gehen auf der linken Seite eine Treppe hinunter und erreichen den Startpunkt der hiesigen Kanutouren und gleichzeitig den Skulpturenpfad an der Ilmenau. Während wir von den Skulpturen mäßig begeistert sind (vermutlich fehlt uns das Kunstverständnis), sind wir von der Natur sehr angetan.
Wir überqueren die Ilmenau und folgen weiterhin einem schmalen Pfad. Allerdings werden jetzt die Autogeräusche von der Bundestraße nach Lüneburg lauter. Das trübt die meditative Stille ein wenig. Als wir die Ilmenau jedoch erneut nach rechts überqueren, lassen wir den Lärm hinter uns und folgen weiter dem Skulpturenpfad bis wir an eine Bank kommen, die direkt an der Ilmenau steht. Hier wollen wir eine erste Pause einlegen. Aber nanu, auf der Bank sitzt ja schon jemand, nämlich der Mann aus Eisen, die Skulptur „Zwiegespräch am Fluss„, die uns zum Plaudern einlädt. Also, so beliebt „Männer aus Stahl“ bei Frauen auch sind, dieses Exemplar finde ich zum einen nicht so attraktiv und zum andern sind wir ja bereits zu dritt, da wird es mit dem Zwiegespräch ein wenig schwierig. Zudem heißt es doch: „Drei sind einer zuviel!“ Na egal unser Eisenbursche klebt eh an der Bank fest und wir ziehen einfach weiter.
Deutsch Evern: Wo der Luxus zuhause ist
Kurze Zeit später stehen wir unserer ersten Herausforderung gegenüber: der Dieksbachüberquerung. Uns steht lediglich ein Baumstamm als Steg zur Verfügung. Na, wenn das mal gut geht. Es geht. Ein kurzer Adrenalinstoß lässt mich vollends wach werden. Jetzt bin ich ganz da und kann den Rest der Strecke voll und ganz in mich aufnehmen. Und das ist gut so, denn jetzt kommt ein Teil der Wanderstrecke, den Robert mir als völlig uninteressant und langweilig ankündigt hatte: „Wir müssen leider einen Ort durchqueren und ein Stück auf dem Asphalt gehen. Da ist auch nichts, keine Einkehrmöglichkeit oder so.“ Ich habe also rein gar nichts erwartet als wir nach Deutsch Evern kommen.
Ich denke nur, Deutsch Evern, was ist denn das für ein komischer Name? Bisher kannte ich nur Deutsch Mokra und das liegt in der Ukraine. Okay, dass Deutsch Mokra mit seinen staubigen, unbefestigten Straßen im sprichwörtlichen „Nichts“ nicht das geringste mit Deutsch Evern zu tun hat wird mir schlagartig klar als wir die Straße „An der Ilmenau“ erreichen. Ich gehe mal davon aus, dass das hier das Villenviertel des Ortes ist.
Tja, nach der Ankündigung Roberts hätte ich alles erwartet aber sicher nicht diese Ansammlung an Prunkbauten mit riesigen Grundstücken. An einer „Südstaatenvilla“ à la „Vom Winde verweht“ setzen wir uns auf eine Bank und lassen das Ganze auf uns wirken. Ich sehe, dass das Haus einem Vermögensverwalter gehört und sofort fällt uns eine Szene aus dem Film „Wolf of Wall Street“ ein als Matthew McConaughey in der Rolle als „alter Hase“ des Börsenhandels dem Jungspund Leonardo di Caprio erklärt, wie das Finanzgeschäft wirklich läuft. Ich sage nur „Fuck the clients“. Und noch als Tipp: „Move the money from the client’s pocket in your pocket.“ Ich denke, da haben einige Hauseigentümer aus Deutsch Evern verdammt gut aufgepasst.
Ach ja und auch ich kann nicht anders. Ich habe mich bereits in eines der Häuser verliebt und stelle mir nun gedanklich meinen begehbaren Kleiderschrank, meine Bibliothek mit Ohrensessel und meinen schönen großen Garten mit Swimmingpool vor. Seufz, so denke ich, hier möchte ich Bachelorette sein.
Die Teufelsbrücke in der Ilmenauniederung
Genug geträumt. Es sind noch ein paar Kilometer zurückzulegen. Jetzt kommt der für mich schönste Teil der Strecke. Wir erreichen die Lüneburger Ilmenauniederung. Zunächst schauen wir uns die „Internationale Handwerkerbrücke“ an, ein Projekt bei dem 50 Handwerker aus unterschiedlichen Ländern zusammen gearbeitet haben. Dabei ist ein Holzbrücke entstanden, die seit 2018 über den Hasenburger Mühlenbach führt. Kurz danach kommen wir zur Teufelsbrücke, einem wirklich idyllischen Plätzchen. 1893 erbaut stieß die Brücke bei den Bürgern zunächst auf wenig Gegenliebe und wurde aufgrund ihres Anstrichs lange Zeit als „schwarze Brücke“ bezeichnet. Nun, ich finde diesen Übergang zum Tiergarten sehr schön.
Backsteingotik und Rote Rosen
Jetzt sind wir schon fast am Ziel. Noch zwei, drei Kilometer dann haben wir den Stadtrand von Lüneburg erreicht. Über einen Schleichweg, nämlich durch eine Kleingartensiedlung, gelangen wir zur Altstadt von Lüneburg. Eine Freundin hatte mir tags zuvor davon erzählt, dass die Daily Soap „Rote Rosen“ wohl in Lüneburg gedreht und deshalb auch entsprechend vermarktet wird. Das wird uns gleich zu Beginn allzu deutlich als wir die „Rote Rosen Terrasse“ entdecken.
Wir gehen weiter Richtung Stintmarkt und biegen aber rechts in die Salzstraße Am Wasser ab. Hier ist es etwas ruhiger. Wir lassen uns im VISCVLE Kitchen & Bar nieder und planen den weiteren Tag. Dies allerdings nur so lange bis ein heftiger Gewitterschauer kommt. Wir suchen Schutz in einem Hauseingang und landen schließlich auf dem Platz am Sande. Nachdem das Gewitter vorübergezogen ist, setzen wir uns in das Café-Restaurant Piccanti. Die Sonne kommt langsam wieder heraus und lässt die Backsteinhäuser des Platzes im warmen Licht erstrahlen.
Das Glück ist eine leckere Minnestrone
Die Bedienung im Piccanti ist zwar nicht die schnellste, dafür aber sehr freundlich. Wir bestellen zweimal die Minnestrone und sind sehr zufrieden mit unserer Wahl. Während des Essens blicken wir auf eine schöne und abwechslungsreiche Wanderung zurück. Die letzten Sonnenstrahlen begleiten uns zum Lüneburger Bahnhof, wo sich unseren Wege in Bienenbüttel trennen. Robert fährt in seinen Landgasthof, ich zurück nach Braunschweig.