Eine Frage der Identität
Ein wenig aufgeregt war ich am Donnerstag schon. Wie die Abstimmung wohl in der UN-Vollversammlung ausgehen möge, fragte ich mich. Im Vorfeld hatte ich mich gefreut zu hören, dass in meinen Augen mutige europäische Staaten wie Italien, Frankreich, die Schweiz, Spanien, Portugal, Österreich, Luxemburg, Norwegen und Dänemark das Anliegen der Palästinenser unterstützen würden. Für mich haben diese Staaten eines begriffen: bei diesem Abstimmung geht es nicht darum, sich auf die Seite der Palästinenser zu stellen und ihnen im Kampf gegen Israel den Rücken zu stärken. Nein, für mein Verständnis geht es vielmehr darum, dem palästinensischen Volk eine Identität zu geben, denn Identität bedeutet nach Erikson (1994), dass man weiß, wer man ist und wie man in diese Gesellschaft passt. Menschen, die ohne Pässe in einem Land leben, das es offiziell gar nicht gibt, kann so eine Perspektive gegeben werden. Mit dem „Ja“ zum Beobachterstatus der Palästinenser haben diese Menschen etwas ganz wichtiges erhalten: die offizielle und internationale Annerkennung, dass es sie gibt! Für mich ein entscheidender Schritte in Richtung Frieden, denn ein Volk, dass Anerkennung und Respekt bekommt, kann ein Selbstwertgefühl aufbauen und Verhandlungspartner in die Augen schauen, weil sie „jemand“ sind! Der Beobachterstatus der Palästinenser war längst überfällig und führt das Volk aus der Illegalität. Es muss und sollte ein Weg für die Palästinenser sein, sich ein Selbstwertgefühl und eine Zukunftsperspektive aufzubauen. Denn, wer eine Zukunft hat, wird diese nicht durch Anschläge jegwelcher Art zerstören wollen. Israel sollte nicht vergessen, dass ein selbstbewusstes Volk nicht nur den Terror von Außen, sondern auch nicht von Innen – siehe die aktuelle politische Lage in Ägypten – duldet. Wenn beide Seiten wirklich an einer friedlichen und fairen Lösung interessiert sind, sollte der vergangene Donnerstag sowohl für das Volk der Palästinenser als auch für die Israelis ein Grund zur Freude gewesen sein.
Fast 40 Jahre ist es her, dass der wohl bekannteste Führer der Palästinenser, Yassir Arafat, am 13.11.1974 vor der UNO sprach. Also, fast 40 Jahre später und die so genannte „Palästinenserfrage“ konnte immer noch nicht geklärt werden. Kann man es denn den Palästinensern in dieser langen Zeit wirklich verdenken, dass sie es immer wieder versuchen, endlich die Anerkennung der internationalen Gemeinschaft zu erlangen? Positiv stimmt mich, dass es auch auf israelischer Seite immer wieder und immer mehr einheimische Stimmen gibt, die den palästinensisch-israelischen Konflikt nicht so einseitig und unversöhnlich darstellen, wie es viele israelische und natürlich auch arabische Politiker versuchen, sondern es zulassen, dass sich die Allgemeinheit, sofern sie denn Interesse hat, sich ihr eigenes Urteil bilden kann. Genannt werden können in diesem Zusammenhang Shlomo Sand („Die Erfindung des Landes Israel. Mythos und Wahrheit“), Peter Kosminsky’s Film „Gelobtes Land“ und Social Media Anwendungen.
Zum Weiterlesen:
- Deutsche Welle: 13.11.1974: Arafat vor der UNO
- Spiegel Online: Arafat vor der UNO
- Lexikon: Definition Identität
- Hintergrund.de: Happy Birthday, Palästina
- heute.de: Palästina als UN-Beobachterstaat anerkannt
- drradio.de: Stützung der palästinensischen Autonomiebehörde „sinnvoll und richtig“
- Qantara.de: Israels soziale Medien und der Gaza-Konflikt: Das passende Ventil