Plötzlicher Gefühlstod, Teil 6

Christina/ November 20, 2019/ Philosophisches

Auf dem Weg vom versteinerten Prinzen

Für diese Artikelserie werde ich vermutlich von keinem passiv-aggressiven Mann ein Schulterklopfen erhalten. Vielmehr wird er die unerwünschte Nabelschau mit einer selbsterfüllenden Prophezeiung gleichsetzen. Und deshalb werden ihn diese Analysen wahrscheinlich auch nicht überraschen, denn er erwartet ja verraten, abgewertet und überrumpelt zu werden. Dabei ist das von ihm bereits vorab antizipierte Ergebnis höchst aktiv selbst mitgestaltet worden.

Eine Bestandsaufnahme
Mit meiner kritischen Auseiandersetzung habe ich fachsprachlich ausgedrückt nicht mehr an der „Kante des Möglichen“ gearbeitet, sondern bin vermutlich darüber hinaus gegangen. Jemand anderes würde vielleicht erkennen, wie viel Zeit und Mühe ich in die Recherche für und die Anfertigung von diesen Schriftstücken gesteckt habe. Eine wohlwollende Betrachtung jenseits des Paradigmas der self-fulfilling prophecy eines passiv-aggressiven Mannes würde in der Erkenntnis resultieren, dass sich niemand diese Arbeit machen und diesen Zeitaufwand betreiben würde, wenn es sich bei der Schlüsselperson um jemanden handelte, der für die Analystin völlig egal und bedeutungslos ist. Das ist keine Demontage oder eine Respektlosigkeit. Es ist auch keine Grenzüberschreitung oder eine Abwertung. Es ist eine Bestandsaufnahme: Szenen einer Beziehung. Und wer zwischen den Zeilen lesen kann, wird erkennen, dass diese beidseitig ist.

Man sieht nur mit dem Herzen gut
Eine Möglichkeit zu einer Aussprache auf Augenhöhe wird es aller Wahrscheinlichkeit nach nie geben. Was ist mit Augenhöhe gemeint? Eine ehrliche Aussprache, die aus dem Herzen kommt und nicht aus dem Kopf. Eine Aussprache, die das Risiko eingeht, sich zu offenbaren und verletztlich zu machen, gleich, was dann passiert. Im Sinne des kleinen Prinzen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche bleibt den Augen verschlossen (und dem Kopf).“ Vielleicht liege ich mit meinen Betrachtungen auch völlig falsch – das Risiko gehe ich hier ein.

Was ich mir gewünscht hätte? Mitzuerleben, wie der gute Kern dieser Person wächst und er langsam der wird, der er EIGENTLICH ist, aber den er sich selbst nicht zutraut: Eine fürsorgliche, aufmerksame, handwerklich sehr begabte Person. Aber, das Bröckeln der Fassade und das Entkernen des versteinerten Prinzen gibt es vermutlich nur im Märchen oder eben bei Saint-Exupéry oder abr vielleicht zur Weihnachtszeit?

Der Arschengel
Was ist nun der Arschengelfaktor aus dem ersten Teil meiner Artikelserie? Robert Betz geht davon aus, dass uns Menschen, die wir als Arschlöcher wahrnehmen, weil sie uns verletzen oder wir sie einfach nicht leiden können, noch eine Botschaft aus unserem Unterbewusstsein vermitteln wollen. Ein Gefühl oder eine Emotion, die wir an uns selbst ablehnen. Durch diese Ablehnung wird das Gefühl aber nur verdrängt und verschwindet damit nicht. Es verschwindet erst dann, wenn wir es annehmen, akzeptieren und in etwas Positives transformieren.

Das Wunderbarste von all dem,
was im Menschen ist, ist sein Herz,
denn es ordnet sein ganzes Wesen.

(aus 1001 Nacht)

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