Wie ich lerne, mich selbst zu lieben – Teil fünf

Christina/ August 20, 2021/ Philosophisches

Mich selbst zu lieben heißt auch, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und anderen gegenüber äußern zu können – und zwar angstfrei. Warum soll das so schwierig sein? Aus zwei Gründen: Da ist zum einen die Schwierigkeit, die eigenen Bedürfnisse überhaupt zu erkennen. Zum anderen ist da die Angst vor Ablehnung durch den Gesprächspartner. Zu sich selbst zu stehen birgt auch immer die Gefahr, von anderen abgelehnt und als egoistisch oder eigensinnig abgestempelt zu werden.

Eine Frage des Vertrauens
Die Schwierigkeit, die eigenen Bedürfnisse wahrnehmen und kommunizieren zu können kann daher rühren, dass es die Umwelt in Kindertagen die Ausbildung eines eigenen Willen nicht zugelassen oder sanktioniert hat. Aus Angst vor Liebesentzug können Konformität und das Gefühl entstehen, dass die Bedürfnisse der anderen auch meine sind. Später kann es schwierig werden, zwischen den eigenen und den fremden Wünschen zu unterscheiden.

Das Ganze ist zunächst eine Frage des Vertrauens. Und zwar des Vertrauens in sich selbst. Kann ich mir selbst vertrauen, meine Sehnsüchte zu erkennen? Traue ich mir zu, auch unangenehme Reaktionen auf die Äußerung meiner Wünsche aushalten und damit umgehen zu können? Traue ich mir zu, gute Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und gleichzeitig mir selbst treu zu bleiben?

Als ich am letzten Freitag von einem Konzert nach Hause komme, schalte ich den Fernseher ein. Arte zeigt eine Dokumentation über Tina Turner. Es ist bei Weitem nicht die erste Reportage, die ich über diese faszinierende Frau sehe. Doch ich bin immer wieder darüber erstaunt, welche Stärke die Sängerin im Laufe ihres Lebens entwickelt und bewiesen hat. Wie sie aus ihrem Leben, trotz der widerigen Umstände, eine absolute Erfolgsstory gemacht hat und dabei bescheiden und freundlich geblieben ist.

Simply the best
Was den Weg zu sich selbst betrifft, so ist Tina Turner ein absolutes Vorbild für mich. Die Entwicklung ihres Lebens zeigt klar auf, dass eine persönliche Weiterentwicklung den Lebensweg verändert und neue, bessere Erfahrungen ermöglicht. Und diese besseren Entscheidungen haben sich nicht nur auf Tina’s berufliches, sondern auch auf ihr privates Leben sehr positiv ausgewirkt. Natürlich ist auch Turner’s „zweites“ Leben nicht immer eitel Sonnenschein. Aber sie scheint die Kraft und den Glauben an sich selbst zu haben, um mit allen Herausforderungen des Lebens zurecht zu kommen. Und das finde ich bewundernswert. Über die Wende in Ihrem Leben sagt sie selbst: „Es war wichtig, dass ich an mich selbst glaubte und an meine Möglichkeiten. Denn wenn wir wirklich an uns glauben, fühlen wir uns selbstbewusst. Und genau das ist es, was wir dann auch anderen vermitteln“.

Was würde die Liebe tun?
Und da ist noch eine andere Komponente des „an sich selbst glaubens“. Der Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“ zeigt mir welche. Nämlich, wie wichtig es ist, sich selbst treu zu bleiben, auch wenn das bedeutet, jemanden gehen zu lassen, den man sehr liebt.

Sicher wird jeder Zuschauer diesen Film anders wahrnehmen. Aber mein Blickwinkel ist der folgende: Die beiden Protagonisten, Asli und Saeed sind ihre Namen, lernen sich auf einer Party kennen und verlieben sich ineinander. Asli ist Türkin, Saeed Libanese. Beide studieren in Deutschland. Obwohl Asli’s Mutter gegen die Verbindung ist, heiraten die beiden heimlich in einer Hamburger Moschee.

Nach einer Weile verschwindet Saeed für einige Monate in den Jemen. Was er dort will sagt er seiner Frau nicht. Auch, dass er überhaupt in den Jemen fliegt erfährt sie nur aus einer SMS auf seinem Handy. Asli erzählt niemanden etwas darüber, das hat sie Saeed versprochen. Als er zurückkehrt verspricht er ihr, dass „es“ vorbei sei und er jetzt bei ihr bliebe. Kurze Zeit später erzählt er von einem Ausbildungs-Angebot in einer Flugschule in Florida. Da ahnt der Zuschauer bereits, wie es weitergehen könnte. Asli aber ahnt noch nichts oder will es nicht. Sie besucht ihren Mann in Amerika, dort fällt ihr aber nichts Ungewöhnliches auf. Als sie nach Deutschland zurückkehrt, kommt sie für ein paar Tage ins Krankenhaus. Es sind die ersten Tage des September 2001.

Als sie im Fernsehen die Angriffe auf das World Trade Center sieht, kann sie sich der Wahrheit nicht mehr verschließen. Als sie kurz darauf eine Nachricht von der Flugschule in Floria erhält, geht sie zur Polizei, um von dort aus in Florida anzurufen. Es ist schon klar, dass Saeed eines der Flugzeuge gesteuert hat und tot ist. Er hat Asli einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er ihr stolz mitteilt, dass die Welt nun eine andere sein wird.

Immer nur die Nummer zwei
Warum bewegt mich diese Geschichte? Weil sie etwas mit mir zu tun hat, jedenfalls so, wie ich die Beziehung zwischen Asli und Saeed interpretiere. Im Film wird deutlich, dass die Beziehung zwischen beiden von großer Liebe geprägt ist. Und obwohl Saeed seine Liebe immer wieder durch Worte und Taten unter Beweis stellt, bleibt die Frage, warum tut er Asli das an, obwohl er sie so liebt? Und hat er nicht in Wirklichkeit, trotz aller Liebesschwüre, sein Vorhaben über die Liebe zu Asli gestellt? Und hat er nicht mehrfach von ihr gefordert, seine Geheimnisse zu bewahren und damit eingestanden, dass er weiß, was er ihr antut? Ist es nicht so, dass Asli letztendlich neben seiner Mission doch nur die „Nummer zwei“ in seinem Leben ist?

Und was ist mit Asli’s Verhalten? Hätte sie nicht bereits nach dem Aufenthalt Saeeds im Jemen und seinen vielen Besuchen in der Moschee aufmerksam werden müssen? Und warum hält sie sich an Saeeds aufgezwungenes Versprechen und sagt auch seinen Eltern nichts, obwohl diese große Angst haben? Letztendlich entscheidet sich Asli nicht für sich, sondern für ihre bedingungslose Liebe zu Saeed. Sie entscheidet sich gegen ihre Zweifel, gegen ihre Werte und gegen ihr Gefühl, dass es noch etwas Wichtigeres in Saeed’s Leben gibt als sie. Auch wenn es in dem Film immer wieder Ansätze für eine Emanzipation gibt, so bleibt Asli bis zum bitteren Erwachen nicht sich sondern Saeed treu.

Auch ich selbst habe, wenn auch nicht in einem solch radikalen und kriminellen Zusammenhang, die Erfahrung gemacht, in einer Beziehung nur die zweite Geige zu spielen. Und ich habe den Fehler gemacht, nicht zu mir und meinen Bedürfnissen zu stehen, sondern ich habe auf die Angst in mir gehört, dass mein Partner für meine Wünsche nicht offen und mich deshalb ablehnen könnte.

Aber letztendlich verhält es sich so, wie es Billy Joel in seinem Song „A matter of trust“ beschreibt: „But you’re going to face a moment of truth. It’s hard when you’re always afraid. You just recover when another belief is betrayed.“ Mit anderen Worten: Wer nicht an sich selbst glaubt an den glauben auch nicht die anderen. Wer sich selbst gegenüber keinen Respekt zeigt, wird auch keinen von anderen bekommen. Und wer sich selbst nicht genug liebt, wird auch von anderen nicht genug Liebe erhalten.

Aus diesem Grund habe ich als Bild für diesen Artikel ein Herz aus Rosenquarz gewählt, denn „Rosenquarz ist ein besonders wichtiger Heilstein für das Herz„. Also, Hand auf’s Herz, glaubt an euch selbst und liebt euch dafür!

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