Wieviel Demokratie verträgt die Demokratie?

Christina/ Juli 22, 2011/ Philosophisches

Zugegeben, die Zeiten sind verwirrend. Da erlebt Mumbai einerseits die schwersten Bombenanschläge seit 2008, auf der anderen Seite liefert die Kanzlerin Panzer nach Angola und Saudi-Arabien. Gut, die beiden Tatsachen mögen erstmal nicht miteinander zusammenhängen. Ach ja, und tobt da nicht seit März ein Bürgerkrieg in Libyen in den auch die NATO involviert ist? Und schließlich gibt es da eine gar nicht so kleine, mutige Gruppe, die nach Israel auszieht, um auf die schwierigen Lebensumstände in den palästinensischen Gebieten aufmerksam zu machen. Viel Bewegung also im und um den arabischen Raum.

Diese eben erwähnte Gruppe, die unter dem Motto „Willkommen in Palästina“ reiste, blieb allerdings in israelischer Abschiebehaft hängen. Presseseitig gibt es hierzu einen mutigen Artikel von Evelyn Hecht-Galinski, der Tochter des verstorbenen Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland. In ihrem Bericht über das „Schein-Heilige Land“ erzählt Galinski von dem Rausschmiss bzw. das Nicht-Hereinlassen von Aktivisten besagter Friedensinitiative. Scheinbar hatte sich die israelische Regierung der sozialen Netzwerke bedient, um im Vorfeld der Aktion eine Liste von 352 „unerwünschten Personen“ aufzustellen und an Fluggesellschaften zu verteilen. Die Mitteilung enthielt die Aufforderung, diese Passagiere nicht zu befördern oder andernfalls die Kosten für deren unverzüglichen Rücktransport übernehmen zu müssen. Im Volksmund würde man so ein Vorgehen als schlichte Erpressung bezeichnen.

Hecht-Galinski nennt es in ihrem Artikel einen „politischen Maulkorb“, den Israel Deutschland verpasst hätte: „Auch die deutsche Außenpolitik wird inzwischen von den USA und Israel diktiert“. In diesem Kontext verwundert es nicht, dass die „Deutsche Welle“ nur wenige Tage später einen Artikel über den Besuch des deutschen Verteidigungsministers de Maizière in Israel mit der Headline „Der arabische Frühling birgt auch Risiken“ veröffentlichte. Haben uns die Araber besser gefallen, als sie noch – indirekt durch uns – kontrolliert wurden?

Eine gewisse Schieflage entwickelte sich aber auch an anderer Front: Das ehemals so „bombensichere“ Verhältnis zwischen den USA und Saudi Arabien bekommt die ersten Risse. Die Lage scheint widersprüchlich: Obwohl dem Wüstenstaat die Entwicklung in den arabischen Bruderländern Sorge bereitet, scheint dem Herrscherhaus die Haltung der USA gegenüber dem Arabischen Frühling zu missfallen. So ist es zumindest einem Artikel des saudischen Ex-Sicherheitschefs Turki al-Faisal in der Washington Post vom Juni dieses Jahres zu entnehmen. Stein des Anstoßes war eine despektierliche Rede des israelischen Staatschefs Netanyahu zur Palästina-Frage vor dem US-Kongress. Plötzlich, so scheint es, habe man seine Liebe zu den palästinensischen Brüdern entdeckt und möchte, dass diese nunmehr einen eigenen Staat erhalten. Eine Frage bleibt jedoch offen: Woher kommt der plötzliche Sinneswandel? Auf dem politischen Parkett werden diese Aussagen und Haltungen als außenpolitische „Neu-Orientierung“ des Königsreichs wahrgenommen. Diese soll sich auf die Zusammenarbeit mit „gleichgesinnten Kräften“ im Nahen Osten stützen. Sind deshalb die jordanische und marokkanische Monarchien in den GCC aufgenommen worden? Geht es hier um den Aufbau eines regionalen Machtzentrums als Gegengewicht zum Iran oder um einen Schutzwall gegen die Ausläufer des Arabischen Frühlings? Bleibt die Frage, wie viel Demokratie die Welt verträgt bzw. wem diese zugestanden wird.

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