Wer weiße Felsen bisher nur aus den Winnetou‐Filmen kannte, die wurden ja bekanntlich in Kroatien gedreht, ist hier genau richtig: In Mansfeld‐Südharz erstreckt sich ein Biosphärenreservat der löchrigen Art: Karst. Aber das ist nicht die einzige Attraktion. Auf unserer Wanderung lernen wir heidnische Bräuche, eiserne Halskrausen, Streuobstwiesen und verlassene Männer kennen.

Wir starten in Questenberg mal wieder bei schönstem Wetter. Drei Stempel der Harzer Wandernadel stehen auf dem Programm: „An der Queste“ (212), „der Bauerngraben“ (213) und die „Schöne Aussicht Hainrode“ (210). Vom Parkplatz aus bestaunen wir zunächst einen der vielen „Rolands“ im Harz. Neben Nordhausen und zuletzt in Neustadt ist das nun bereits mein dritter Holzmann. Neben dem Roland steht die Kirche Mariä Geburt. Viel interessanter jedoch als Kirche selbst ist das Halseisen an der Mauer vor der Kirche. Im Nachhinein erfahre ich, dass sowohl der Roland als auch das Halseisen ein Symbol für niedere Gerichtsbarkeit sind. Vor Ort werden natürlich die „berüchtigten“ Geschlechterwitze bemüht und damit gedroht, die Halskrause für obstinate Damen nutzen zu wollen.

Die Questenburg

Neben der Kirche verläuft ein schmaler Pfad, der zur Questenburg führt. Von der Burg selbst sind nur Mauerreste zu sehen. Von hier oben hat man aber einen sehr schönen Blick sowohl auf den Ort Questenberg als auch auf den gegenüberliegenden Bergrücken mit der sagenumworbenen Queste. Letztere gab dem Ort seinen Namen und beschert uns einen weiteren Abdruck im Stempelbuch.

Vorbei an den sogenannten Gletschertöpfen, bei denen es sich um das frühere Flussbett der Nasse handelt, steigen wir recht steil zur Queste hinauf. Hier oben genießen wir im strahlenden Sonnenschein ein herrliches Panorama. Nach einem kurzen Aufenthalt geht es weiter in Richtung Bauerngraben. Wir durchqueren schattige Buchenwälder und laben uns an bunten Streuobstwiesen. Aufgrund der extremen Trockenheit in diesem Jahr treffen wir aber auf so manche Schnapskirsche. Schnell wird jedoch klar, dass sich die Wiederkehr in diese Region lohnt: zur Kirschenzeit, zur Apfelzeit, zur Walnußzeit.

Richtig karstig wird es nun am Bauerngraben, unserer nächsten Stempelstelle. Der „episodische“ See zeigt sich wasserlos, vielleicht wird er auch deshalb mitunter als „Hungersee“ bezeichnet. Das Gewässer liegt zwischen den Ortschaften Breitungen und Agnesdorf. Eine Landschaft, da sind wir uns einig, in der man mit ein paar Zebras, einem Löwen und Giraffen, ohne große Fantasie Safaris stattfinden lassen könnte.

Überwachte Rastbänke

Gleich hinter dem Bauerngraben erreichen wir eine fantastische Picknickstelle. Unter einer ausladenden Eiche steht eine Bank. Der Rastplatz profitiert neben seiner schattenspenden Eigenschaft ebenso von dem herrlichen Ausblick. Ein paar Meter weiter steht linker Hand eine weitere Bank. Allerdings steht diese unter digitaler Bewachung (GPS, Bank 2!), sodass wir unter dem dichten Buschwerk bereits getarnte Spione vermuten und schnell weiterziehen.

Eigentlich ist das gar nicht mehr möglich, aber der Weg wird immer schöner. Rechter Hand fällt unser Blick immer wieder auf das Kyffhäuser Gebirge, linker Hand ziehen sich weitläufige Weizenfelder in wüstensand‐braun bis zum Horizont und bilden zusammen mit dem strahlend blauen Himmel und ein paar pittoresken Wolkengebilden eine Landschaft, die an ein altes Wandgemälde erinnert. Ich absorbiere sowohl dieses Bild als auch diesen Moment und nehme mir vor, diese Szene als Schutzbild meines inneren Auges gegen den hektischen Alltag zu verinnerlichen.

Es geht weiter durch Wiesen und alte Obstplantagen, schließlich biegen wir scharf rechts in einen Weg zurück nach Questenberg ein. Dort angekommen füllen wir unsere Wasserflaschen nach, denn es steht ein weiterer, letzter Höhepunkt auf dem Programm: Der Aufstieg zur „Schönen Aussicht Hainrode“ (Stempelstelle 210). Wir geben trotz der drückenden Nachmittagshitze noch einmal alles und werden reichlich belohnt. Aus dem Pavillon der Stempelstelle heraus genießen wir abermals einen vortrefflichen Blick auf das Kyffhäuser‐Denkmal und die Umgebung.

Gasthof Zur Queste

Mittlerweile ist jedoch der Kaffeedurst (oder ist es der Hunger?) übermächtig geworden und es drängt uns zurück nach Questenberg. Im Vorübergehen hatten wir bereits einen Blick auf den Gasthof „Zur Queste“ werfen können und wussten, dass uns noch ein lauschiger Biergarten erwartet. Angesichts der fortgeschrittenen Stunde übergingen wir den Kaffee jedoch und taten uns an der Speisekarte gütlich. Bei Kräuterpfannkuchen
mit Rahmchampignons kehrten die Lebensgeister langsam wieder zurück, wobei ich Mühe hatte, das leckere Essen durch Lachkrämpfe geschüttelt, im Mund zu behalten.

Zwei unfreiwillige Komödianten saßen hinter uns und unterhielten unbewusst den gesamten Innenhof. Bereits beim Betreten des Gasthofes hatte ich die beiden erspäht, die dort auf der Bank wie begossene Pudel saßen und offensichtlich mit der (Frauen‐)Welt haderten. Einer der beiden schien dem Weizenbier bereits seit einiger Zeit tapfer zugesprochen zu haben. Der andere, weitestgehend nüchtern, musste sich nun die ausschweifenden Tiraden seines offensichtlich von einer Frau verlassenen Freundes anhören. Das über weite Strecken nicht jugendfreie und obendrein unflätige Wörter verwendende Gespräch kann an dieser Stelle leider nicht wiedergegeben werden. Es war aber unschwer zu erahnen, dass der Gehörnte seines Erachtens nach mit seiner letzten Angebeteten gehörig in „Butter gegriffen“ hatte.

Meinen langen Rückweg vom Südharz in die Welfenstadt vor Augen, mussten wir dann leider bald dieses idyllische Plätzchen mit wirklich gutem Essen zu sehr humanen Preisen verlassen, Wiederkehr nicht ausgeschlossen.

Mein Fazit: 21 km Wegstrecke und drei neue Stempel. Ein rundum gelungener Wandertag. Mal wieder perfekt und umsichtig vom Wanderführer organisiert, in bester Begleitung, bei herrlichem Wetter, in wundervoller Landschaft mit einem grandiosen Abschluss. Wanderherz, was willst du mehr? Natürlich mehr von diesen Wanderungen.

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